Was ich anders machen könnte
Was ich anders machen könnte im Leben und doch nie anders machen kann.
Es gibt viele Dinge, die ich mir wünschte anders machen zu können. Das Wichtigste wäre: nicht immer alles so ernst zu nehmen. Leicht gesagt und schwer getan. Das hat noch nie geklappt bei mir. Ich nehme alles ernst, was Menschen reden oder was sie tun. Ernst und wichtig. Es fällt mir schwer, eine Beleidigung zu Seite zu schieben, eine Dreistigkeit wegzustecken oder eine soziale Ungerechtigkeit unkommentiert zu lassen.
Ich bin das wandelnde schlechte Gewissen für meine Mitmenschen, habe ich einmal gesagt. Aber wer will schon ein wandelndes schlechtes Gewissen sein? Ich nicht.
Trotzdem kann ich es nicht verhindern, dass ich es nicht andauernd bin.
Für mich gibt es kein: Das habe ich nur so daher gesagt. Die Menschen mit denen ich zutun habe, schätze ich ständig auf ihre Motivation hin ein. Egoisten, Materialisten oder Schwätzer fallen bei mir sofort durch die Ritzen.
Was jetzt nicht heißt, dass ich nicht allen noch eine zweite, dritte oder vierte Chance geben würde. Zweitausend meinetwegen. So viel Chancen wie sie nur wollen, aber jedes Mal wenn die Einschätzung in eine der genannten Kategorien wieder erfolgt, lasse ich sie wieder durch die Ritzen fallen.
Ich bin ein strenger Mensch, wenn ich mir meine Selbstbeschreibung so ansehe. Zum Glück ist diese Strenge aus meiner Sicht etwas abgemildert durch eine Weichheit bei der Wahrnehmung und die Überzeugung, dass alle Menschen auf ein soziales Miteinander angewiesen sind. Auf ein Miteinander und noch weitergehend auf ihre Liebesfähigkeit. Ein Mensch ohne Liebe geht ein wie eine Primel. Das gilt auch für Egoisten, Schwätzer oder Materialisten. Vielleicht ist das der Grund, warum ich sie immer alle ernst nehme: Ich nehmen das Leben ernst.
Das ist einer der Gründe, warum ich so gerne bei dir lese.
Dass ich so streng bin? Ich halte das für keine gute Eigenschaft. Eher für problematisch. Es lässt den Menschen keinen Spielraum. Ehrlich gesagt kenne ich keinen Menschen, der gleichzeitig streng und sympathisch ist.
wir wären auch gerne entspannter.
Daß du so streng bist? Nein, weil du trotzdem mit fühlenden Augen siehst. Ist dir das noch nicht aufgefallen?
Ja, entspannter. Das wäre gut.
Wie auch immer – man kann wohl nicht gegen seine Massstäbe entscheiden und beurteilen. Das Leben ernst nehmen finde ich jedenfalls gut und richtig, und die Weichheit bei der Wahrnehmung mildert die Strenge sicher auf ein annehmbares Mass.
Wahrscheinlich könnte jedes von uns einiges anders machen – oder dann doch wieder nicht…
Ach, Claudia, ich nehme meine Mitmenschen oft genug auch zu ernst. Und stoss mir dann die Nase an. Aktuelles Beispiel ist meine alte Gemeinde. Ja ja.
Ich tu mir so schwer damit, wenn ich meine Mitmenschen nicht für voll nehmen kann. Irgendwie ist das etwas, was gar nicht geht. Das verstört mich. Oder ich weiss nicht, ob „verstört“ das richtige Wort ist. Ich weiss nicht, was ich mit solchen Menschen anfangen soll, die man nicht ernst nehmen kann.
Dagegen geht mir bei Menschen, die man vollstens ernst nehmen kann, das Herz auf.
Es gibt einen Unterschied zwischen Ernst und Schwere. Ernsthaftigkeit ist ein vorteilhafter Charakterzug, erst wenn er dazu führt, daß zuviel Schwere ins Spiel kommt, kann der Ernst zum Problem werden. In diesem Sinne würde ich Dir mehr Leichtigkeit wünschen. Vielleicht in dem Sinne, daß man die Fragen leben muß, um Antworten zu finden – das fand zumindest ich sehr hilfreich.