Stöbern

Das Einstellen der alten Einträge führt mich zwangsläufig zum Stöbern in den alten Gefühlen und Gedanken. So viel ist geschehen in der Zeit. Viel Veränderung war da und vieles ist gleich geblieben. Immer gleich. Und trotzdem ist Zeit vergangen und ich habe mich verändert. Mein Leben hat sich verändert.

Die Frage von Frau Fragmente ging mir wieder durch den Kopf: Warum so wenig Menschen über die Arbeit bloggen? Für eine Weile habe ich darüber nachgedacht, ob ich meine selbst auferlegte Sperre nicht aufheben sollte? Die Arbeit, das ist der Teil des Lebens, der den größten Teil meiner Energien absorbiert. Der einen Teil meiner Persönlichkeit aufsaugt. Der an mir nagt und mich manchmal auch drückt. Ist es richtig, die Arbeit immer wieder aussen vor zu lassen?

Nein, ich habe nichts zu befürchten von meinem Arbeitgeber. Ich sitze relativ fest im Sattel, wie mensch so sagt und ich neige nicht zu Beschimpfungen oder gar zu Verleumdungen. Aber nein: Lieber nicht. Ich brauche meinen Schutzraum um mich herum. Ich brauche meine Schutzkleidung. Die würde ich mir nehmen, wenn ich über die Arbeit bloggen würde. Ich wäre verletzlicher als ich jetzt schon bin.

Nein, ich lass lieber anderen den Vortritt.

Comments (15)

JürgenJanuar 25th, 2010 at 20:12

Spontan fallen mir die Blawgs ein, vor allem Udo Vetters law blog oder Thomas Stadlers Internet-Law. Wobei ich mich immer wieder demütig darüber wundere, wie abwechslungsreich und bewegt der berufliche Alltag meiner geschätzten Herren Kollegen zu sein scheint … 😉 SCNR.

ClaudiaJanuar 25th, 2010 at 20:49

Oh, das hatte ich nicht gemeint. Ich hatte eher an eine Auseinandersetzung gedacht, an das was die Arbeit alles kompliziert und fremdbestimmt macht. An die verschlungenen Beziehungen, die Tricks und Oberflächlichkeiten.
Das tägliche Los der Abhängig-Beschäftigten.

JürgenJanuar 25th, 2010 at 21:49

Lohnabhängige, die bloggen? Die sind zugegebenermaßen sehr selten. Freiberufler zwischen 35 und 45, linksliberal bis grün gestimmt, dominieren die Szene klar. Und die meisten sind, übrigens, männlich. Meine Vermutung: Wer bloggt, kann es sich leisten, eine eigene Meinung zu haben. Online werden die faktischen Grenzen der Freiheit, seine Meinung äußern zu können, besonders deutlich. Von den Gefahren, die mit einer Veröffentlichung von Einstellungen, Konflikten, Meinungen zur Arbeit einhergehen, mal ganz abgesehen. Falls überhaupt, könnte ich mir solche Blogs nur anonym vorstellen.

ClaudiaJanuar 25th, 2010 at 21:53

Das hast du leider sehr treffend geschildert.

ClaudiaJanuar 25th, 2010 at 22:40

Ich habe bei einem Ein-Euro-Job mal ziemlichen Ärger bekommen aus dem Grund, daß ich über die „Maßnahme“ nebst einer Menge positiver Dinge (!) einmal geschrieben habe: „Heute waren wir auf der Arbeit alle nicht so besonders vom Heiligen Geist beseelt.“
Ich kann beim Bloggen über Arbeit nur zur Vorsicht mahnen; im angegebenen Fall fühlten sich mehrere bekennende Atheisten (!) so richtig gekränkt.

SylviaJanuar 25th, 2010 at 22:44

Auch eine Art von Arbeits-los 😕

ClaudiaJanuar 26th, 2010 at 06:27

Dass manche Menschen gekränkt sind, wenn sie sich im Blog beschrieben fühlen, kommt vor. Nicht nur bei Kolleginnen und Kollegen. Das ist einer der Gründe, warum ich so gut wie nie über andere Menschen im Blog schreibe. Den Kränkungen sind nicht meine Absicht und die Sprache ist die Quelle für Missverständnisse. Also lasse ich das.
Meine Überlegungen mit der Arbeit gingen dahin, dass es vielleicht auch einen gesellschaftlichen Wert haben könnte, über die Arbeit und die Auswirkungen auf Seele und Gemüt zu schreiben. Und dass dieser Wert höher steht, als die Furcht des Einzelnen vor Nachteilen.

SylviaJanuar 26th, 2010 at 09:49

Bezieht sich dein letzter Kommentar auf das von mir Geschriebene ? Kommi Nr. 5 war noch nicht da, als ich geschrieben habe.

Stimmt, die Sprache ist eine Quelle der Mißverständnisse, vor allem im Internet gut zu beobachten, weil hier alle möglichen Filter nicht zum Einsatz kommen (können), wie Mimik, Tonlage etc.

Ich weiß zwar im „realen“ Leben oft auch nicht, wie mein Gegenüber die getätigten Aussagen verdaut „roh oder gekocht“, aber im Netz potenziert sich das nach meinem Dafürhalten noch.
Über andere zu schreiben – deren Einverständnis vorausgesetzt – das geht schon, denk ich.
Weiß nicht warum, mir fällt grad der Roman „Flatland – a romance of many dimensions“ ein, von Edwin A. Abbott, aus 1884, kennst du den ?
Das Internet empfinde ich auch ein bisserl so, als ob man eine Dimension runtergesteigt und sich der Wirkung in „weitere Dimensionen“ nicht in vollem Ausmaße bewußt ist.

rittiner & gomezJanuar 26th, 2010 at 13:51

bloggen ist unsere arbeit und darüber nochmals zu bloggen, wäre zu kompliziert.

SylviaJanuar 26th, 2010 at 15:24

Vor allem wär es wieder die gleiche Ebene.

rittiner & gomez … was für ein schöner Name !

SusanneJanuar 26th, 2010 at 18:22

Ich denke nicht, daß ‚Arbeit‘ (Erlebnisse an einem Arbeitsplatz, Ärger mit Kollegen und Vorgesetzten usw.) einen ‚gesellschaftlichen‘ Wert haben. All das kommt kaum mehr im ‚öffentlichen‘ Raum vor. Unterhalten werden die meisten Menschen wohl nur noch vom Außerordentlichen (um so knapp das ‚Außer-‚ oder ‚Überirdische‘ zu vermeiden).

Der Alltag (Arbeit, Haushalt), sofern er nicht (re-)kreativ ist, wird scheinbar allenthalben ausgeblendet (da geht es ihm kaum anders als der Verwendung des erwirtschafteten Surplus) und mißachtet. Literatur, Film, Musik, Malerei usw. rangeln um das Besondere, das Originelle, das – wenn möglich – Genialische.

Antworte spaßeshalber einmal auf die Frage, was du heute getan hast, damit aufzuzählen, was du auf der Arbeit getan hast, und du wirst angeschaut, als kämst du vom siebten Planeten der Beteigeuze und nicht aus der gleichen Stadt.

Das mag auf jüngere Alterskohorten oder urbane Lebenswelten beschränkt sein. Hier auf dem Lande sagen manche Ältere noch recht klar, was sie getan haben. Aber unter den y-u-p’s ist das verpönt. Jetzt raten wir alle einmal, wer ‚modern‘ genug ist, daß ihr/ihm Gehör geliehen wird.

Das Problem der verletzten Privatsphäre sehe ich nicht als spezifisches des öffentlichen Raumes. Viele und gerade jüngere Menschen haben da eine sehr offene – wie immer das bewertet werden mag – Haltung. Es ist aber eine wahrhaft anstrengende Arbeit, einen Text, der deinen Alltag berührt, so zu schreiben, daß du keine wütenden Ohrfeigen von zu gut Getroffenen dir einhandeltest, stelltest du ihn für jedermann lesbar irgendwo ein.

Ich denke, es ist sehr klug, solche Texte deutlich fiktional zu gestalten. Auch auf die Gefahr hin, daß du manches zu pointiert hinstellst und von Lesern womöglich als jemand gesehen werden könntest, die du gar nicht bist. Oder eben gleich ganz darauf zu verzichten und eher im Allgemeinen zu verharren. Was auch seinen Reiz hat.

Daß es zu kompliziert sei, seine eigene Tätigkeit in seiner eigenen Tätigkeit zu spiegeln, halte ich nicht für richtig. Im Gegenteil, denke ich, das machte doch gerade sehr viel Spaß. Nur sind dessen Meriten nicht immer einfach genießbar. Das Anschauen scheint einfacher, wenn es von uns weh gerichtet zu sein vorgeben darf, der Blick zurück in sich tut leider oftmals weh.

[…] Netzkultur von jfenn am 26. Januar 2010 Claudia Kilian hatte gestern in ihrem Blog die Frage aufgeworfen, warum so wenige Blogger über ihre eigene berufliche Tätigkeit schreiben? Hierzu schrieb ich am […]

WildgansJanuar 28th, 2010 at 16:28

in engelberts blog am 26.1. steht die frage zur diskussion: weiter bloggen, auch wenn der chef das nicht will….die kommentare sind interessant!
was ich schon mal erlebt hab: dass eine lehrerin ein disziplinarverfahren an den hals bekam wegen ihres blogs…das ist übel, da kann einem alles vergehen. es gilt, ein paar klippen zu umschiffen!

WildgansJanuar 28th, 2010 at 16:29

nachtrag: engelberts blog ist unter tagebuch hier zu finden:
http://www.seelenfarben.de

ClaudiaJanuar 28th, 2010 at 17:19

@Wildgans: Nun ja. Mir fällt an den Kommentaren zweierlei auf. Erstens die Diskussion, ob am Arbeitsplatz gebloggt wird oder in der Freizeit. Darüber muss mensch nicht diskutieren, das ist ganz klar, dass das an der Arbeit nicht geht, wenn es verboten wurde.

Mir ist es ein Rätsel, wie mensch darüber überhaupt diskutieren kann.
Zweitens, dass es doch erstaunlich viele Menschen gibt, die sich von ihrem Arbeitgeber tatsächlich in ihren Freizeitbereich reinreden lassen würden. Das geht zu weit. Da passt es plötzlich wieder das Wort: duckmäuserisch. Das muss mensch nicht sein. Noch nicht!

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