So enttäuscht
Die republica ist abgeharkt für mich. Dazu bin ich zu sehr Prinzipienreiterin um den Weg mitzugehen. Ich habe mich letztes Jahr schon sehr über die Ausgrenzungsstrategie aufgeregt, aber ich hätte ein Auge zu gedrückt, denn ich bin ja immer gerne zur republica gegangen. Mir hat es immer gut gefallen, aber jetzt geht es einfach nicht mehr. Die Linie ist überschritten.
Was mich aber mehr quält und beschäftigt als diese republica, das ist die Regierungsbildung im Land Hessen. Immer wenn ich denke es kann nicht schlimmer kommen, dann kommt es noch schlimmer. Ich hatte so gehofft, dass ich dieses Mal erlöst werde. Aber nein, ich werde den Filz in unseren Fluren noch weiter ertragen müssen. Und ich kann euch versichern: er verfilzt sich von Tag zu Tag mehr. Sehr unangenehm ist das – um es höflich auszudrücken. Wer sind nur all die Menschen, die uns diese Wahlergebnisse bescheren?
Die Frage ist rein retorisch, denn ich sehe diese Menschen ja Tag für Tag. Ich lebe jetzt in einem Viertel mitten unter ihnen. Schwarzgrün. Wertkonservertive.
Gott erhalte uns unseren Mittelstand!
Und lass den anderen die Tafeln.
Erlöse uns von den Kriminellen.
Und bewahre die Jobs für unsere Kinder.
Die anderen sollen sicher in ihren Notunterkünften bleiben dürfen.
Blablabla.
In der Neckarstadt in Mannheim sieht es anders aus. Jedenfalls in West, da wo ich mich aufhalte, wenn ich in Mannheim bin. Da sehen die Menschen zu, wie sie über die Runden kommen. Kreativität zum Leben ist da angesagt. Da versucht jede im Chaos den eigenen Weg zu finden. Vorgezeichnet ist dort schon lange nichts mehr.
Ich schweife ab. Das liegt daran, dass ich so enttäuscht bin. Langsam habe ich das Gefühl: ich will nicht mehr. Ich kann nicht mehr. Am liebsten würde ich mir eine eigene Fahne an die Tür hängen und meine Welt als unabhängige Nation ausrufen. Mir fehlt die Kraft und die Hoffnung um an dieser Form der kapitalistischen Demokratie noch weiter teilzunehmen. Sie ist erbarmungslos und menschenverachtend.
Des Kaisers neue Kleider. In einer modernen Version.
Ach, Claudia, das mußt Du so sehen: Denk doch mal an den A, der ist ungefähr so alt wie ich, und der will doch endlich auch mal Minister werden. So war das doch damals auch mit dem F, als sie noch die Turnschuhe anhatten. Und mit dem S. ist es nicht gegangen, also macht er das jetzt mit dem B. Der A. ist halt auch nur ein Mensch, wie man so sagt. Und der S. hätte ja sogar mit den L. regiert und ohne eigene Mehrheit. Das kann ein Wertkonservativer nicht mitmachen, das wäre ja gar nicht gegangen. Aber mit dem B., da hat er jetzt was Eigenes, das sieht doch gut aus für ihn. Und das bißchen Fluglärm, da haben sie schon ein Papier geschrieben. Der Fluglärm wird bald verboten sein. Die Flugzeuge fliegen dann zwar immer noch, aber sie dürfen keinen Krach mehr machen. So wie der Winter: Der ist zwar weiterhin kalt, aber es wird einfach verboten, daß die Zeitungen darüber schreiben. Dann ist sie auch weg. Mit dem Lärm machen sie es genauso. Man darf das nicht persönlich nehmen, die wollen halt auch mal regieren und so. Die richtig großen dunklen Autos und die noch höheren Gehälter. Und die Visitenkarte, wo draufsteht. Rückgrat? Ach, jetzt, wo Du es sagst. Haltung? Ach, da war was, ja, aber was war da nochmal genau? Es ist dreißig Jahre her, da saß er eine Schulstunde neben mir und kam mir vor wie auf der Durchreise. Und der F. hatte damals die Turnschuhe an, und er hat sich heute die Krawatte nicht umgebunden. So locker sind sie. Und einfach nur so im Landtag sitzen und mitreden können und abstimmen – das hat er jetzt ein paar Jahre lang erlebt. Opposition ist doch nicht so das Wahre. Man möchte doch endlich auch mal eigene Gesetze machen, und was da dann drinsteht, wenn das die Gesetze sind, die man mit dem B. zusammen machen kann – das ist da am Ende auch herzlich egal. Und auch im Rundfunkrat wird sich übrigens nichts ändern dadurch. In den radioforen.de ist es gerade bekanntgegeben worden: Auf hr2 wird das Bildungsprogramm und das Kinderprogramm gestrichen, das gibt es an Januar nur noch auf hr-info. Wenn überhaupt. Vielleicht bringen sie den Schulfunk bald nur noch im Archiv auf dem Bildungsserver. Reicht doch auch. Hauptsache, man regiert, ob in Turnschuhen oder nicht. Und die Republica? Ist genau das gleiche in grün. Oder so. Und war schon immer eine einzige Geldmacherei. Locker bleiben. Man darf es nicht persönlich nehmen.
Ja, das Kaisers neue Kleider. Toll sein wollen, aber nichts dafür leisten, kein Für und Wider durchstehen wollen etc.
Das nennt sich dann rechtschaffen.
Immer wieder fällt es mir auf, dabei beschäftige ich mich gar nicht mit der grossen Politik. Und sammle immer mehr Leute um mich, die sehen, dass es keine Kleider sind. Anders geht das für mich nicht
Ich nehme das sehr persönlich. Es ist mein Leben und trifft meine Prinzipien und meine Moral.
Mein Wohlbefinden hängt nicht von der hessischen Landesregierung ab. Sonst wäre ich suizidgefährdet.
Gut ausgedrückt.
Das mit der republica hätte ich mir etwas ausführlicher gewünscht… welche LINIE überschritten?
Dann sag ich einfach mal was dazu: Ob BarCamps Geld kosten dürfen, ist schon reichlich diskutiert worden. Aber diese Veranstaltung ist von Anfang an zwiespältig gewesen: Teils ein Treffen des Web 2.0, teils eine PR-Show. Daneben wird sehr viel Geld über Werbung eingenommen. Die Eintrittspreise sind aber auch erheblich gestiegen. Dazu kommen Reise- und Hotelkosten. Wie teuer darf sowas werden? Fragt sich die Sammelmappe nicht zu Unrecht. Eine Gegenfrage: Wo wäre denn für Dich die finanzielle Grenze bei so einer Veranstaltung erreicht?
Ich kann es schlecht sagen, wo die Grenze liegt. Oder anders ausgedrückt: meine Grenze entspricht vielleicht nicht der der Betroffenen.
Etwas über 100 Euro würde ich sagen.
Ich sage mal: Das darf pro Tag nicht mehr kosten als ein Theaterabend.