Privilegien

Ich lese mich voller Pietät durch die Nachrufe von Frank Schirrmacher. Die alte und neue Bundesrepublik ein einziger Herrenclub. Das typisch deutsche daran: dass sich sogar eine Angela Merkel in den Herren Club einfügen kann.

Erleichterung kommt durch den Tweet von Antje: Warum etwas, wofür wir bei Marie Antoinette den Kopf schütteln, bei Schirrmacher plötzlich cool ist, verstehe ich allerdings nicht.

Genau das ging mir seit zwei Tagen durch den Kopf. Ich bin nicht radikal genug. Sie spielen mit ihren Privilegien und mit uns. Frank Schirrmacher am Besten. Er war einer der besten Jongleure in diesen Spieldisziplinen.

Und sie werden weiter mit uns spielen, wenn wir es zulassen. Sie spielen WM auf allen Kanälen und in allen Sendungen, für das Brot sind die Tafeln da und Demokratie wird in 90 Sekunden Gesetzeslesungen gemacht.
Zauberer sind sie alle.

Ich bin nicht so radikal, dass ich meinen moralischen Ansprüchen genüge. Das ist bedauerlich.

Comments (10)

ViolineJuni 15th, 2014 at 12:27

Und wie sie alle mittanzen und mitspielen wollen.
Unverständlich.

SammelmappeJuni 15th, 2014 at 13:21

Es erinnert mich an die Geschichte, vor der ich mich in meiner Kindheit am meisten geißelte: der rote Tod.
Da feierten und tanzten sie auch drinnen im Schloss und dachten sie kämen davon.

ViolineJuni 15th, 2014 at 14:32

Ich kenne die Geschichte zwar nicht, aber so, wie sich das anhört, trifft sie es genau.

schneeschmelzeJuni 15th, 2014 at 15:39

Siehe Die Maske des Roten Todes mit Weblinks zum Volltext.

Der Herrenclub funktioniert tatsächlich wunderbar, das sehe ich auch so. Darunter sind aber auch viele, die sich Geschäfte versprechen, wenn sie jetzt brav sind und mitspielen und an der Schirrmacher-Legende mitstricken. Das ist auch eine Folge der Verbürgerlicherung des Netzes. Vor fünfzehn Jahren hätten diese Leute nicht mal gewußt, wie sie eine E-Mail versenden sollten. Heute twittern sie den ganzen Tag dank Kleinweich und Apfelfon. Solche Leute sind aber nicht maßgeblich, sie gehören für mich nur zum Hintergrundgeräusch.

ViolineJuni 15th, 2014 at 17:48

Danke für den Link.
Eine Poe-Erzählung. Das lese ich lieber mal nicht, da wird es mich sowas von gruseln.
Scharfer Beobachter, der Herr Poe.

Ich glaube, das ist auch so eine Wichtigtuerei, wenn man an einer Legende mitstricken kann. (Kommt aber leider auch von Leuten, von denen ich das nicht gedacht habe. – Und schnell weiterklicken.)

SammelmappeJuni 15th, 2014 at 18:28

Das Hintergrundgeräusch ist ganz schön laut und penetrant.

schneeschmelzeJuni 16th, 2014 at 02:23

Natürlich ist das laut, deshalb schreie ich ja auch dagegen an. Aber es ist kein maßgebendes Geräusch, sondern das sind nur diejenigen, die sich ihren Teil am Nachlaß sichern wollen. Der Beitrag der Opalkatze war insoweit treffend. Nachdem sich eine ganze Szene an S. abgearbeitet hatte, ist ihnen das Objekt plötzlich abhandengekommen. S. war nur eine Figur im Spiel, die jetzt ersetzt wird. Dazu muß man sich natürlich in Stellung bringen, und dazu dient das Spiel mit verteilten Rollen im Herrenclub. Da finden jetzt Kamingespräche statt, es wird viel gemailt und telefoniert, man stimmt sich ab untereinander, jetzt übernimmt erstmal der Stellvertreter die Geschäfte, dann kommt die Buchmesse im Oktober, und ein paar Monate später gibts nen Nachfolger. Ich tippe nicht auf eine Nachfolgerin, denn die einzige, die hausintern zum Zuge kommen müßte, kennt sich nur mit Literatur aus, und das ist zuwenig heutzutage. Die zwei anderen Kandidatinnen intern werden es auch nicht werden, denn für sie gilt entsprechendes. Also wird einer eingekauft. Er gehört auch heute schon zu dem besagten Herrenclub. Und dieser Nachfolger wird dann seinerseits Aufträge vergeben, aber nur an diejenigen, die immer schön brav waren. Und um das unter Beweis zu stellen, macht man jetzt ein Geräusch, das so laut sein muß, daß es lange genug nachhallt.

ViolineJuni 16th, 2014 at 05:12

Du kennst Dich gut aus mit diesen Herrenclubs.

Ein Mitglied meiner Gemeinde meinte vor einem Jahr, wirklich Neues und Alternatives käme heutzutage nur von Frauen.

schneeschmelzeJuni 16th, 2014 at 12:38

@Violine: Da wäre ich mir nicht so sicher. Und ich kenne mich damit zum Glück nur von außen aus. Ich schaue dem genauso zu wie Du. Und wundere mich.

ViolineJuni 16th, 2014 at 13:29

Na ja, vielleicht hattest Du nur mehr Gelegenheit als ich, dieses Phänomen zu studieren. Ich habe nie so richtig geachtet, aber diese Herrenclubs sind wirklich unerträglich. Und sie spielen, das stimmt. Ekelhaft.

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