PRISM, NSA und der ganze Rest

Ehrlich gesagt – und wie sollte ich es anders sagen als ehrlich und hilflos: Ich kann mir diese schöne, neue Welt in der wir jetzt schon leben nicht vorstellen.
Ich glaube es nicht und alles in mir wehrt sich dagegen es zu glauben. Wie soll das gehen? Leben in einer Welt in der es keine Geheimnisse und keine persönliche Sphäre mehr gibt. Leben in einer Welt in der das Private dem Staat gehört.
Ganz plötzlich sagt dieser Staat zu mir: Ich habe ein Recht darauf alles von dir zu wissen. Es dient deinem Schutz vor bösen Menschen.

Aber wer schützt mich und die anderen wirklich? Wer schützt mich vor den Dingen vor denen ich wirklich und zu recht Angst habe? Niemand.
Davon abgesehen: Was nützt mir dieser Schutz, wenn mir das Intimste weggerissen wird?

Im Augenblick sind offline-Treffen noch ohne Mitschnitt. Aber wann wird auch das kein Tabu mehr sein. Ist der Damm erst einmal gebrochen, gibt es kein Entrinnen mehr. Die Flut nimmt sich ihren Raum. So ähnlich ist das mit dem Sicherheitswahn. Der Damm ist längst gebrochen, aber wir haben es nicht gemerkt. Zu spät gemerkt.
Selbst die abenteuerlichsten Verschwörungstheorien wagten sich nicht, sich dieses Ausmass vorzustellen.

Ich kann mir mein eigenes Leben nicht mehr vorstellen. Ich kann mir nicht vorstellen, wie ich mit anderen Menschen jemals wieder ungezwungen kommunizieren kann.
Alles hängt mit allem zusammen. Das, was heute böse ist, ist morgen gut. Das, was heute angepasst ist, wird morgen verachtet.
Wie soll ich kommunizieren, wenn ich ständig darauf achten muss. Nicht nur für mich, besonders auch wegen der Menschen mit denen ich kommuniziere.

Meine Phantasie ist überfordert, mir vorzustellen, wie das gehen soll.
Heute, morgen, übermorgen.

Die Flut ist nicht mehr aufzuhalten.

Comments (8)

claudiaJuli 14th, 2013 at 16:44

Das Volk ist schachmatt. Oder weiß jemand Rat?

limoneJuli 14th, 2013 at 18:59

das traurige ist: wir waren gewarnt seit jahrzehnten. aber auf kassandra hört keiner.

claudiaJuli 14th, 2013 at 22:23

Ja, wir waren gewarnt.

ClaudiaBerlinJuli 15th, 2013 at 12:52

Doch, ich werde weiter „ungezwungen kommunizieren“!!!

Denn: warum ist z.B. Snowden in die Öffentlichkeit gegangen? Weil diese ihn mehr schützt, als wenn er versucht hätte, sein Wissen anonym zu verbreiten oder sich zu verstecken.

Auch dieser Fall geheimdienstlichen Wirkens
http://www.scilogs.de/chrono/blog/natur-des-glaubens/usa/2013-07-06/sollten-sich-anst-ndiger-b-rger-wegen-der-berwachung-sorgen-ein-erfahrungsbericht-aus-den-schattenkriegen
ging gut aus, weil der Betroffene gut vernetzt war und sich andere hinter ihn stellten, als „gut“ auf einmal als „böse“ galt – in gewissen Kreisen.

Wenn irgend etwas auf einmal ins Raster gerät und wir somit plötzlich konkret verdächtigt werden – was hilft da besser als jede Menge von aller Öffentlichkeit nachlesbare Kommunikation und Meinung? Und ein weites Netz von Freunden, Bekannten und „schwachen“ Beziehungen?

Deshalb: ich mach weiter so! Intimitäten hab‘ ich nie publiziert, auch schreibe ich nicht über andere konkret erkennbare Personen (außer mit deren Erlaubnis).

Nur in privater E-Mail werde ich vermutlich noch etwas „bewusster“ werden. Zum Glück liegen Mails, deren Inhalte ich nicht veröffentlicht erleben möchte, soweit in der Vergangenheit, dass sie nach allem, was gerade heraus kommt, auch bei der NSA lange schon gelöscht sind (von den Themen her sowieso irrelevant…).

Kurzum: ich lass mir meinen Selbstausdruck und das Kommunizieren nicht madig machen! Jetzt erst recht nicht!

SammelmappeJuli 15th, 2013 at 18:20

Meine Befürchtungen drehen sich nicht um meine öffentliche Kommunikation. Da verändert sich für mich auch nicht, denn dass die ausgewertet wird war schon lange klar.

Nein, ich meinte alle privaten und persönlichen Formen der Kommunikation – die ist ein für alle Mal nicht mehr vertraulich. Egal wie hoch der Schutz ist, den wir verwenden.

Jedenfalls nicht mehr per E-Mail, Telefon, Brief usw. Nur die direkte Kommunikation kann ausgeschlossen sein. Allerdings habe ich gerade heute von einem Handy gehört, das alle Geräusche der Umgebung ständig mithört, damit das tolle Feature: mit Sprachsteuerung auf dem Schlafmodus einschalten, funktioniert.

Also geht auch dieser Weg nicht mehr. Schluss, aus, Ende – keine Vertraulichkeit mehr in Sicht weit und breit.

ClaudiaBerlinJuli 15th, 2013 at 21:19

Ich hab mir grad mein erstes Smarthandy gekauft – und nutze es bisher nur zum googeln im Garten und zur Sichtung meiner und Kunden-Webseiten. Mehr wird das auch nicht werden. Für ein paar Minuten schalte ich es ein, und dann komplett aus.

Es gibt da allerdings eine App, die mit Realdaten der Berliner Verkehrsbetriebe arbeitet. Die einzige Station öffentlicher Verkehrsmittel in der Nähe meines Gartens wird im 20-Minuten-Takt bedient. Ohne Info kann man also Pech haben und fast 20 Minuten warten müssen – oder eben pünktlicher kommen. Die App sagt an, wann die nächsten Bahnen der Umgebung los fahren. Klappt natürlich nur, wenn ich den Standort frei gebe.

Normal fahre ich mit dem Fahrrad, hab das Problem aber nicht. Doch ab und zu streikt das Gefährt, hat einen Platten, ist geklaut etc. DANN – kann ich mir grade durchaus vorstellen – gebe ich der App, Google, der NSA und dem unbekannten Rest der Welt meinen Standort bekannt, um diese Bequemlichkeit zu genießen.

Nun ist es ja für XY nicht schwer, zu erkennen, dass ich zwischen Wohnung und Garten pendele. „Ich hab ja nichts zu verbergen“ liegt da nahe. Trotzdem finde ich es irgendwie spannend, wie ich auf diese Art selber ein Teil des Überwachungsregimes werde – und bin mit dem „drüber nachdenken“ noch lange nicht am Ende.

Schreib doch mal, was für dich „vertraulich“ bedeutet. Bzw. welcher Art die Angst ist, die diese Vertraulichkeit wg. Überwachung verhindert.

Was wir hier schreiben, kann alle Welt lesen. Ich möchte da nicht unbedingt ausbreiten, welcher Art die Kommunikationen waren, die ich nicht öffentlich gemacht erleben will. Obwohl: es waren einfach nur ein paar erotische Mailwechsel…. nun ja, ist das wirklich das, was NSA und Co. interssiert?

Das ist ein Denken ins Unreine….

SammelmappeJuli 15th, 2013 at 21:57

Kommunikation ist in der Regel sehr vielschichtig. Es gibt Dinge, die möchte ich nicht vor meinen Verwandten ausbreiten. Andere wären mir nicht recht, wenn es die Nachbarn wissen, manche Dinge sind sehr intim und nur für eine Person bestimmt.

Wir wissen alle, da wo Daten gesammelt werden, da werden sie auch mißbraucht. Das geschieht zwangsläufig über kurz oder lang. Ob das die Überwachungsvideos in den Supermärkten sind, die Kundinnen über der Tiefkühltruhe gebeugt heranzoomten oder Notrufe aus der Notrufzentrale, die zum Zwecke der Belustigung veröffentlicht wurden. Heimlich. Selbstverständlich.
Da sind die Kreditkartendaten, die aus kriminellen Gründen weitergegeben werden und da sind die Menschen auf dem Amt, die eben mal kucken, ob der Neue der Ex-Freundin etwa arbeitslos gemeldet ist.

Diese Liste lässt sich endlos fortsetzen – immer handelt es sich um sogenannte Einzelfälle, aber für den Einzelnen kann der Mißbrauch eine Katastrophe sein.

SvenJuli 22nd, 2013 at 07:11

„Im Augenblick sind offline-Treffen noch ohne Mitschnitt“

auch dieser Satz ist nicht absolut richtig – wenn man das Handy dabei hat ist es auf jeden Fall schon jetzt zu 100% sicher, dass die Verbindungsdaten (also wo man sich befindet) mitgeloggt werden und ausgewertet werden können wenn in diesem Umkreis eine Straftat erfolgt (siehe z.B. Steinwurf von Brücke). Was früher ebenfalls möglich war (in Amerika) (und mit Sicherheit auch noch möglich ist) ist, dass extern das Mikrofon jedes Handys eingeschaltet werden konnte und so Gespräche mitgeschnitten wurden.

Die totale Überwachung haben wir also schon – und Sie wird auch nicht mehr aus unserem Leben verschwinden – die Frage ist lediglich WER WANN Zugriff darauf erhalten sollte. Das die NSA nach Gutdünken und ohne Kontrolle auswerten darf ist auf jeden Fall untragbar.

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