Ich habe über die Kommentare zu meinem letzten Blogeintrag nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass es ein großes Privileg ist, Lebensentscheidungen individuell treffen zu können, ohne in ein Leben hineingepresst zu werden, das keinen Schritt nach links oder rechts duldet. Wenn ClaudiaBerlin von ihren verschiedenen Erwerbstätigkeiten erzählt, die sie zwar um den Preis einer Minirente gewählt hat, aber dafür mit der Freiheit ausgestattet ist, sich zu entwickeln und ihren eigenen Interessen und Talenten nachzugehen, klingt das für mich nach einer soliden Lebensentscheidung.
Ich hingegen habe mich für ein Erwerbsleben mit viel Struktur und Sicherheit entschieden. Allerdings habe ich unfreiwillig genügend Zeiten erlebt, in denen ganze Jahrgänge unter die Räder des Wirtschaftskarusells geworfen wurden. Diese Jahre waren existenziell sehr instabil, und selbst im Nachhinein fühlt es sich an wie ein Leben im Schleudergang. Finanzielle Sicherheit wurde für mich zu einem Strohhalm, an dem ich mich festhielt, um irgendwie die Balance zu finden.
Andrea macht in ihrem Kommentar einen wichtigen Punkt, indem sie darauf hinweist, dass Lebensphasen des Umbruchs oft schwierig sind. Das empfinde ich ähnlich, und deshalb begegne ich diesem speziellen Umbruch in meinem Leben mit einer großen Portion Respekt – zumal er mich mitten in einer psychischen Erkrankung trifft. So hatte ich mir das nicht vorgestellt.
Und zu den grünen Damen, liebe Violine: Es gibt noch viel zu sagen, allerdings kann ich das hier nicht öffentlich tun. Es gestaltet sich nicht ganz so einfach, wie ich gedacht hatte.
An dieser Stelle möchte ich euch herzlich für eure Kommentare danken und wünsche euch alles Gute.
Packen ist nicht meine Stärke, und Aussortieren fällt mir ebenso schwer. Die Tage bis zu meinem letzten Arbeitstag zählen sich langsam herunter, und ich versuche, mein Büro Schritt für Schritt auf Null zu reduzieren. Nicht auf einmal, sondern in vielen kleinen Etappen – das fällt mir leichter. Dabei stoße ich auf Schätze und vergessene Konflikte. Ich betreibe eine archäologische Untersuchung meiner dienstlichen Zeit. So viele bearbeitete Themen, so viel Wissen, so viele Erinnerungen. Das meiste davon wird keinen Platz mehr in meinem Leben als Seniorin haben. Es braucht Zeit, die Emotionen zu verarbeiten: sie zunächst auszubreiten, um sie dann zusammenzufalten und einzulagern. Oder, klüger gesagt: sie loszulassen.
C’est la vie. Eine Zeit geht, eine andere kommt. Doch die Zeit, die geht, ist die gewichtigere. Das ist die Zeit, auf die du in der Schule und im Studium vorbereitet wirst. Davon hängt deine gesellschaftliche Stellung ab, dein Wohlbefinden, deine Lebensqualität. So viel von dem, was du bist, definierst du über dein berufliches Umfeld. Damit ist jetzt bald Schluss. Aus die Maus.
Bald stehe ich wieder ganz allein da, mit dem, was mich als Person und als ältere Frau ausmacht. Zuerst möchte ich zu mir selbst finden, denn die letzten Jahre waren wirklich nicht leicht. Der psychische Anpassungsdruck war enorm. Die berühmte Altersgelassenheit konnte ich bei mir nicht wahrnehmen. Je älter ich wurde, desto schwerer fiel es mir, mich im dienstlichen Kontext einzulassen. Mein Genervtheitslevel sank Jahr für Jahr, und es kostete mich immer mehr Anstrengung, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Doch als Personalrätin gehörte das quasi zu meinen Aufgaben. Es war Teil der Verhandlungen, Teil des Deals, Teil der Erwartungen. Wenn ich etwas für die Beschäftigten erreichen wollte, bedeutete das, ich musste mich in die Konventionen hineinfinden.
Heute richtig gute Nachrichten von der Krankenversicherung erhalten. Das tut gut. Draußen regnet es und das Geräusch stimuliert mein Gemüt. Alles passt gerade gut zusammen. Meine verbleibenden Bürotage schmelzen dahin. Aber ich hab mir noch ein paar große Brocken vorgenommen. Die möchte ich noch erledigt haben. Zum letzten Mal alles stemmen.
Und wieder wird es hier ganz still. Mir fehlen nicht die Worte. Sie quälen mich in meinem Inneren. Ich habe sie fest in mir verschlossen, und so sehr ich auch versuche, sie wieder hervorzubringen, sie wollen nicht aus mir heraus.
Es ist wieder ein Symptom, auf das ich reagiere, indem ich auf die Zukunft verweise: Bald ist es soweit. Bald kannst du dich konzentrieren, bald gehören dir deine Zeit und deine Gefühle ganz alleine.
Mittlerweile bin ich mir nicht sicher, ob das so zuverlässig eintreten wird.
Ich hatte schon immer ein Talent, um an der Welt zu verzweifeln. Sie zeigt sich nicht von ihrer besten Seite. Ich versuche, sie so weit wie möglich auszublenden, herunterzudrehen, sie aus meinem Leben herauszuhalten. Aber natürlich gelingt mir das nicht.
Hab ihn gestern in der Frühe aufgeschreckt, weil ich zurück rannte, um ihn zu fotografieren. Als Erinnerung an meinen letzten Bürosommer.
Der Reiher am Teich sträubt sein Gefieder.
Heute morgen um 6 Uhr bei 22 Grad vollständig durchgeschwitzt im Büro angekommen. Jeder einzelne Sommertag im Büro ist eine Hitzezumutung.
Erleichterung gibt es erst nach dem Gewitter heute Abend.
Ansonsten bleiben noch Geschichten aus dem Pflegeheim. Erzählungen zwischen den Universen Krankenhaus und Pflegeheim. Anekdoten über wiederverwendbare Ganzkörper-Schutzanzüge. Pragmatische Wäschehygiene.
Und der Wunsch mehr über die Lebensränder zu wissen.
Spaziergang am Samstag am Bornheimer Hang. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie den grünen Traum wieder in eine trocken Grasstoppel-Wiese verwandeln würden. Heute war der Tag der Verwandlung.
In den letzten Wochen sah ich öfters Menschen im Gras herum laufen, die intensiv nach etwas Ausschau hielten. Es hat etwas gedauert bis ich bemerkte, dass ihre ganze Konzentration darauf ausgerichtet war, die Hinterlassenschaften ihrer Hunde zu finden. Das dürfte jetzt wieder einfacher werden.
Hier wird eindeutig zu wenig geschrieben. Die Tage verstreichen ohne Einträge in der Sammelmappe.
Die depressive Müdigkeit hat mich erneut erfasst. Die Enttäuschung sitzt tief. Die vergangenen Tage erschienen wie ein schöner Traum. Kaum kehrt die Energie zurück, scheint die Krankheit so unwirklich, als hätte sie nie existiert. Die Welt erstrahlt und es gibt keine Anzeichen dafür, dass sie jemals anders aussah oder jemals wieder anders aussehen könnte. Alles läuft mühelos. Die ToDo-Liste erledigt sich fast von selbst und es gibt wieder eine Welt jenseits der Verpflichtungen. Ein soziales Leben. Es fühlte sich so passend an, so sehr mein Leben, dass ich mir sicher war, dass es mir nicht mehr verloren gehen würde.
Doch plötzlich ist die bleierne Müdigkeit zurück. Eine Müdigkeit, die eine völlig andere Dimension beschreibt, als das Wort Müdigkeit normalerweise ausdrückt. Eine existenzielle Müdigkeit, die Körper, Geist und Seele ergreift und ins Grenzenlose drängt.
Am Donnerstag habe ich meine erste Hospitation bei den grünen Damen gemacht. Ein kleiner Einblick in eine große Welt. Es ist noch zu früh, um mich dazu umfänglich zu äußern.
Jedenfalls bin ich aus diesem Anlass erst spät in die Klagenfurter Lesungen gestartet. Ich habe sehr gezögert, ob ich noch einsteigen soll und dann habe ich doch den Link zu den Lesungen und Diskussionen geklickt. Die Videos lassen sich auch im Schnellmodus abspielen und es ist erstaunlich, wieviel im 1,25 Modus noch gut rüberkommt. Und wenn mir die Jury auf die Nerven geht, drehe ich auf 1,5 auf. Das schont meine Nerven enorm.
Bisher habe ich noch keinen Text gelesen. Nicht mal eine einzige Zeile. Das ist ein Novum und hängt wahrscheinlich mit der großen Distanz zusammen, die ich im Moment zu dieser Veranstaltung empfinde. So gerne ich die Erinnerungen an den Sommergarten und die wunderschönen Abende dort habe, mir kommt es so vor, als sei es sehr schwer dort wieder anzuknüpfen. Vielleicht im nächsten Jahr, wenn ich Rentnerin bin. Oder im übernächsten Jahr, wenn die Tage der deutschsprachigen Literatur ihr 50stes Jubiläum feiern.
In diesem Jahr sind gute Texte dabei. Sehr gute auch.
Bin aber noch nicht ganz durch. Deshalb lege ich mich noch nicht fest, welches meine Favoriten sind.