Journal04082020

Heute zum ersten Mal gesehen, dass sich eine junge Mutter in der Straßenbahn mit der Hand Mund und Nase zuhält.

Ich hab eine Weile gebraucht, um zu verstehen, dass sie damit den Mund-Nasen-Schutz simuliert.

Ansonsten bin ich müde. Unendlich müde und abgespannt. Im Büro ist das Raumklima entsetzlich. Dabei kommen die heißen Tage erst Ende der Woche.

Offenbach ist in der Phase drei der Exkalationsstufe und verbietet das Grillen.

Ich neige zum exzessiven Eskapismus und lese mich in den Schlaf.

Journal01082020

Freie Tests für alle! Warum nicht schon seit Wochen?

Die Zahlen steigen und steigen.

In der Nacht von einem Wumms aufgewacht. Donner ohne Blitz. So schnell ging das. Der Regen hart und stark. Zu schnell vorbei.

Ich war noch nicht am Meer in diesem Jahr. Noch kein Urlaub seit den Weihnachtsfeiertagen, die ja auch eher aus Überraschungen der besonderen Art bestanden.

Jetzt hege ich eine kleine Hoffnung, die mit jedem Tag dahin schmilzt wie die Gletscher in den Alpen.

Was darf ich? Was kann ich wagen?

Bildbeschreibung: Alles Grüne, Zackige kommt von oben. Ist wohl keine Kastanie sondern eine Haselnuss?

Balkonleben

Es ist zu heiß, um in Ruhe auf dem Balkon im Schaukelstuhl zu wippen. Früh im Morgengrauen traue ich mich nach draußen und gieße die Pflanzen. Der gezogene Dill ist wieder eingegangen, das Experiment will einfach nicht gelingen. Aus dem kleinen Ort hab ich mir ein nun ein Töpfchen mitgebracht. Eine Abwandlung der Vorgehensweise. Vielleicht gelingt es so besser.

Auf meinem Balkon wächst Kraut aber keine Rüben.

Ein Tisch steht da, zum Arbeiten, zum etwas Draufstellen, ein bisschen Vorratshaltung, denn wenn dieser Wohnung etwas fehlen sollte, dann ist es ein Vorratsschrank. Der einzige Minuspunkt, den ich bisher entdecken konnte. Deshalb muss der Balkon, das wettmachen und hält her. Für Kruschelkram und ruhige Zeiten. Für den Ausblick in den städtischen Horizont.

Für wippende Gelegenheiten.

Journal31072020

„Auf die Hitze folgen Blitze“. Das Wetterradar versucht sich in Poesie.

Bildbeschreibung: Zwei geschlossene Fensterflügel, dahinter die geschlossenen Rollläden.

Ich schließe die Hitze aus und verkrieche mich in meine dunkle Höhle. Dort kann ich über den Zahlen brüten. Sie steigen und steigen. Wer weiß schon, wie die Welt in zwei Wochen aussieht?

Ich setze die Maske auf wie einen Zauberschal. Längst nicht mehr nur dort, wo sie vorgeschrieben ist. Immer wenn ich mich sicherer fühlen möchte. In mir immer noch der große, tiefe Wunsch, es solle ein Wunder geschehen und diese zweite Welle möge sich verziehen. Auslaufen am Strand.

Große Sorgen macht die Inkompetenz der handelnden Personen. Die Strategien sind nicht klar. Und nein: es ist nicht nur die Unvernunft der Bevölkerung, die uns im Infektionsgeschehen zurück wirft.

Journal29072020

Verstehen kann ich das nicht. Die Kurve wird steiler und trotzdem wird gelockert und gelockert. Die Priviligierten schützen sich, das Fußvolk sitzt in der U-Bahn und kämpft mit der Maske oder provoziert ohne. Ich versuche mich nicht aufzuregen und nicht jede Maskenpassung innerlich zu kommentieren. Fehler werden von denen gemacht, die die Macht verkaufen.

Ich knabbere am Schicksal und weiß doch, dass es unvermeidlich ist. Manchmal möchte ich mit beiden Händen Liebe in die Welt streuen. Für die, die mir am Herzen liegen. Lebendige Liebe. Laute und leise. Robuste und zarte. Einen Liebesteppich für eine sanftere Welt.

Journal28072020

Wenn ich es richtig verstanden habe, nennt sich die zweite Welle „difuser Anstieg in der Fläche ohne Clusterbildung“.

Habt ihr schon Vorschläge für die dritte, vierte und fünfte Welle?

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den Tag in Stücke gießen
in kleine Häppchen
nicht eins davon verdaulich
aber alle in Sorgfalt
gepackt

Journal27072020

Manche Dinge kommen wieder, andere nicht. Das Leben lehrt uns vieles und zeigt uns dann den Stinkefinger.

C’est la vie.

Journal26072020

Nein, mein Zorn ist nicht verraucht. Hab mich auch noch nicht in Stücke gerissen. Ich hätte uns allen gewünscht, dass sich die zweite Welle bis zum Herbst Zeit nimmt. Aber politische Unvernunft wird hart bestraft in diesen Tagen.

Bildbeschreibung: Sommerlandschaft mit Schäfchenwolken im blauen Himmel

Zum Glück ziehen die Wolken unbekümmert weiter.

Journal22072020

Ahnungslosigkeit als strategischer Zustand.

Ich könnte schreien vor Zorn.

Bin allerdings viel zu zivilisiert, um so viel Aufregung zu artikulieren.

Zorn.

Zorn.

Wut.

Ärger.

Laut.

Nicht laut genug

Journal21072020

Die Zahl der Neuinfektionen steigt. Mit Ansage und Anlauf rein ins neue Desaster.

Ansonsten spielt die Welt verrückt. Nichts Neues. Der Lauf der Dinge. Katastrophen im Dreivierteltakt. Alle biblischen Plagen zur gleichen Zeit.

Mittendrin eine Menschheit ohne Verständnis und Empathie für die, die anders ticken. Das muss wohl so sein. Liegt nicht in den Genen. Scheint hartnäckig angelernt.