Journal08092020

Übermorgen werden die Sirenen heulen und die Warn-App ihre Meldungen ausspucken. Sie entdecken den altbewährten Katastrophenschutz neu. Kann nichts schaden, wenn alle ihr Klopapier checken und durchzählen.

Der Spätsommer zeigt sich in der Zwischenzeit von seiner schönsten Seite und ich sehe ihm am Feierabend vom Sofa aus zu. Die Welt dreht sich schnell, aber mein Atem reicht nicht aus, um ihrer Drehung zu folgen. Jeden Morgen raffe ich meine Energie zusammen und tue, was ich glaube, tun zu müssen.

Die Welt zusammen halten.

Niemand kann sagen, dass ich meine Ziele zu niedrig ansetze.

Journal06092020

Es muss nicht viel sein, was ich besitze. Aber schön.

Der Satz ist kein bisschen wahr, aber die Hintergrundmelodie zu meiner neuesten Anschaffung: Hab den Rucksack ausgetauscht mit dem ich durch die morgendliche Stadt streife.

Jetzt fehlen noch neue, rosige Schuhe für meine geschundenen Füße. Aber das ist ein harter Kampf.

Der Wind schlägt mir

Die Tür an den

Kopf: so

Empfiehlt sich der

Sommer.

(Sarah Kirsch)

Journal05092020

Samstag. Balkon teilen mit dem Wäscheständer.

Haupttätigkeiten: Wippen und Träumen.

Bildbeschreibung: Oleander und Wäscheständer auf dem Balkon vor blauem Himmel und Schäfchenwolken

Journal04092020

Ich halte den Kopf über Wasser. Irgendwie. Weiß selbst nicht so genau, wie ich das mache. Ich taste mich voran. Meinen müden Kopf im Gepäck. Schöne Vorstellung, nicht wahr? Die Müdigkeit nimmt Leib und Seele auseinander.

Auf dem Balkon fliegen die Meisen die Futtersäulen an. Sie kacken ihr Badewasser schneller voll, als ich es nachfüllen kann.

Das schwingende Leben sozusagen.

Mein Kontrastprogramm.

Journal03092020

Ach. Einfach nur ach.

Mit einem Seufzer zum Satzende.

Sorgenalphabet

Sorgen von a bis z. Alle gehören mir. Begleiten mich, haben sich dreist vermehrt in diesen Tagen.

Wer hält am längsten durch? Wer macht schlapp? Es wird ein langer Herbst, ein hartnäckiger Winter werden.

Wie wollt ihr eure Kraft aufteilen? Wo labt ihr euch an geheimen Quellen?

Journal31082020

Alt werden ist nichts für Feiglinge, sagte sie und setzte damit einen Rahmen.

Wer nicht alt werden will, muss früh sterben, sagten andere und legten damit eine fesche, neue Abstraktionsebene fest.

Alt werden ist ein Privileg, erfuhren wir beim Lesen der Gedenktafeln und der Stolpersteine.

Alt werden tut weh, entnehme ich den Blogs und meinem persönlichen Umfeld.

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Ich werde alt und bin jetzt alt und finde mich in diesen Erzählungen nicht wieder. Mein alt werden ist begleitet von einer unendlichen Plage der Müdigkeit. Ich bin psychisch müde. Ich bin mental müde. Ich bin politisch müde. Ich bin diametral so was von entfernt von diesen „jungen Alten“, dass ich bald eine neue Zielgruppe aufmachen kann.

Mein Alter schmerzt nicht. Es macht mich müde.

Journal30082020

Herbstgefühle

Bildbeschreibung: Grünanlage in Frankfurt, die Bäume werfen ihre Blätter ab.

Journal29082020

Lese die Briefe von Annette Kolb und verschließe Augen und Ohren vor dem Lärm aus Berlin. Erfolglos. Die Reichsflaggen und der Sturm auf den Reichstag dringen dennoch in mein Gemüt.

Geschichte, die ihren Gestank wiederholt.

Ob wir es dieses Mal schaffen, zu retten, was uns wichtig und teuer ist?

Demokratie ist ein zerbrechliches Gebilde. Sie benötigt viel Pflege und Zuwendung, damit sie nicht zerbröselt. Heute Abend möchte ich zuversichtlich sein. Von ganzem Herzen und mit ganzer Seele vertrauen, dass der Alptraum nicht ein zweites Mal über uns kommt.

(Und irgendwann möchte ich dieses Gerichtsurteil verstehen, das die Demonstration zuließ. )

Journal28082020

Corona-Reisen. Kein Ende der Dienstfahrt in Sicht. Ich schiebe meine Ängste ins Hinterstübchen.

Wie schizophren kann eine weiterleben? Das Urlaubs- und Privat-Ich schottet sich ab, die dienstliche Präsenz schwillt ungesund an.

Was für Tage! Was für eine Welt!

Vielleicht ist es an der Zeit, sie aus den Angeln zu heben.