Hab ihn gestern in der Frühe aufgeschreckt, weil ich zurück rannte, um ihn zu fotografieren. Als Erinnerung an meinen letzten Bürosommer.
Der Reiher am Teich sträubt sein Gefieder.
Heute morgen um 6 Uhr bei 22 Grad vollständig durchgeschwitzt im Büro angekommen. Jeder einzelne Sommertag im Büro ist eine Hitzezumutung.
Erleichterung gibt es erst nach dem Gewitter heute Abend.
Ansonsten bleiben noch Geschichten aus dem Pflegeheim. Erzählungen zwischen den Universen Krankenhaus und Pflegeheim. Anekdoten über wiederverwendbare Ganzkörper-Schutzanzüge. Pragmatische Wäschehygiene.
Und der Wunsch mehr über die Lebensränder zu wissen.
Spaziergang am Samstag am Bornheimer Hang. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie den grünen Traum wieder in eine trocken Grasstoppel-Wiese verwandeln würden. Heute war der Tag der Verwandlung.
In den letzten Wochen sah ich öfters Menschen im Gras herum laufen, die intensiv nach etwas Ausschau hielten. Es hat etwas gedauert bis ich bemerkte, dass ihre ganze Konzentration darauf ausgerichtet war, die Hinterlassenschaften ihrer Hunde zu finden. Das dürfte jetzt wieder einfacher werden.
Hier wird eindeutig zu wenig geschrieben. Die Tage verstreichen ohne Einträge in der Sammelmappe.
Die depressive Müdigkeit hat mich erneut erfasst. Die Enttäuschung sitzt tief. Die vergangenen Tage erschienen wie ein schöner Traum. Kaum kehrt die Energie zurück, scheint die Krankheit so unwirklich, als hätte sie nie existiert. Die Welt erstrahlt und es gibt keine Anzeichen dafür, dass sie jemals anders aussah oder jemals wieder anders aussehen könnte. Alles läuft mühelos. Die ToDo-Liste erledigt sich fast von selbst und es gibt wieder eine Welt jenseits der Verpflichtungen. Ein soziales Leben. Es fühlte sich so passend an, so sehr mein Leben, dass ich mir sicher war, dass es mir nicht mehr verloren gehen würde.
Doch plötzlich ist die bleierne Müdigkeit zurück. Eine Müdigkeit, die eine völlig andere Dimension beschreibt, als das Wort Müdigkeit normalerweise ausdrückt. Eine existenzielle Müdigkeit, die Körper, Geist und Seele ergreift und ins Grenzenlose drängt.
Am Donnerstag habe ich meine erste Hospitation bei den grünen Damen gemacht. Ein kleiner Einblick in eine große Welt. Es ist noch zu früh, um mich dazu umfänglich zu äußern.
Jedenfalls bin ich aus diesem Anlass erst spät in die Klagenfurter Lesungen gestartet. Ich habe sehr gezögert, ob ich noch einsteigen soll und dann habe ich doch den Link zu den Lesungen und Diskussionen geklickt. Die Videos lassen sich auch im Schnellmodus abspielen und es ist erstaunlich, wieviel im 1,25 Modus noch gut rüberkommt. Und wenn mir die Jury auf die Nerven geht, drehe ich auf 1,5 auf. Das schont meine Nerven enorm.
Bisher habe ich noch keinen Text gelesen. Nicht mal eine einzige Zeile. Das ist ein Novum und hängt wahrscheinlich mit der großen Distanz zusammen, die ich im Moment zu dieser Veranstaltung empfinde. So gerne ich die Erinnerungen an den Sommergarten und die wunderschönen Abende dort habe, mir kommt es so vor, als sei es sehr schwer dort wieder anzuknüpfen. Vielleicht im nächsten Jahr, wenn ich Rentnerin bin. Oder im übernächsten Jahr, wenn die Tage der deutschsprachigen Literatur ihr 50stes Jubiläum feiern.
In diesem Jahr sind gute Texte dabei. Sehr gute auch.
Bin aber noch nicht ganz durch. Deshalb lege ich mich noch nicht fest, welches meine Favoriten sind.
Das beste an diesem letzten Sommer im Dienst ist der Rollenwechsel. Die abschiednehmende Rolle erlaubt mir Tag für Tag mehr, aus den Regeln auszusteigen. Die Regeln der anderen und die Regeln, die ich mir selbst aufgelegt hatte, um meine Arbeit gut zu machen.
Ich brauche sie von Tag zu Tag weniger und erfreue mich an meiner wachsenden Ungebundenheit.
Es ist nicht so, dass ich offene Rechnungen begleichen will. Diese offenen Rechnungen gibt es zwar, aber meine Rache findet dann doch eher im fiktionalen Bereich statt.
Es ist eher so, dass ich meinen Ärger über die kleinen Unfähigkeiten im Arbeitsalltag nicht mehr verstecke. Egal ob sie von ganz oben oder ganz unten kommt. Mir ist schon klar, dass viele dieser Anlässe systemisch bedingt sind, aber meistens sitzen dann da doch Menschen, die entweder den systemischen Scheiß auf die Spitze treiben oder die versuchen daraus nicht das Schlimmst mögliche rauszuholen.
Es fühlt sich gut an, wieder freier reagieren zu können.
Sommerfest im Innenhof. Das Letzte seiner Art. Ich nehme Abschied über Wochen und Monate. Die einen ziehen um, die anderen bleiben vorübergehend, wieder andere schlagen eine andere Richtung ein. In alle Winde werden sie ziehen. Nur ich: Ich gehe zum Jahresende nach Hause.
Nie in meinem Leben gab es eine Zeit in der ich mir mein RentnerinnenLeben ausmalte. Höchstens die vage Vorstellung, dass die Arbeitslast von mir abfällt. Richtige Wünsche, Fantasien dazu gab es bei mir nie. Jetzt ist alles so nah und immer noch bleibt viel im Dunkeln. Eine grüne Dame im Krankenhaus möchte ich gerne sein.
Es ist so ein Privileg darüber nachdenken zu können, sich ehrenamtlich zu engagieren. Leisetreten.
Mein letzter Bürosommer. Ich erlebe die Tage sehr bewusst. Nehme Schritt für Schritt Abschied und entflechte mein Arbeits-Ich. Ziehe vorsichtig an verwebten Fäden, zupfe sie sorgfältig frei.
Mit jedem Atemzug fühle ich mich meiner Seele näher.
Das sind die guten Tage. Das sind die, die in Erinnerung bleiben.
So nach und nach lassen sich einzelne Effekte wissenschaftlich beschreiben, die unser menschliches Selbstbild ins Wanken bringen. Wir sind halt wirklich nicht immer so vernünftig wie wir gerne wären.