Heute vor einem Jahr war es mein Wunsch, in einen sechswöchigen Corona-Schlaf zu fallen. Nicht, dass ich dachte, dass Corona in sechs Wochen vorbei sei. Wohl eher, weil ich hoffte, in sechs Wochen hätten sich ein paar Basics der Pandemiebekämpfung durchgesprochen. Gibt ja nicht so viele, auch wenn ständig behauptet wird, man müsse dazulernen und nachsteuern und was auch immer. Es gibt einfach nur ein paar mögliche Maßnahmen und Regeln auf der einen Seite und auf der anderen Seite gibt es Modellrechnungen und wunderbare Zahlen und Kurven mit deren Hilfe man immer vier bis sechs Wochen in die Zukunft sehen kann. Eigentlich ein übersichtliches Szenario, eine exakt berechenbare Krise.
Nun ja. Es hat nicht sein sollen. Jetzt harren wir aus und die einen werden zu grummeligen Individuen, andere zittern jeden Arbeitstag aufs Neue um ihre Gesundheit.
Und wieder andere bereichern sich auf legalen und illegalen Wegen an den öffentlichen Finanzen. Dreist und skrupellos.
Der exponentielle Anstieg setzt ein und sie setzen die Impfungen mit AstraZeneca aus. Ohne Worte. Der Schaden wird nie wieder gut zu machen sein. Da alle Impfstoofe erst ab 18 zugelassen sind und die immer höhere Ansteckungsrate immer höhere Impfquoten erfordern, war es das wohl. Das verlorene Vertrauen ist nicht mehr gut zu machen.
Wieder einmal zeigt sich, dass mein Pessimismus nicht ausreicht.
Diese Pandemie wird uns noch Jahre in Atem halten.
Ich schalte mental jetzt wieder um auf den Krise- und Katastrophenmodus. Das ist die einzige Art, wie ich die nächsten Wochen und Monate ertrage.
Aprilwetter im März.
Regen, Sturm, Sonne, Regenbogen, Licht und Schatten. Der Himmel als Dramaqueen.
So gut es geht ignoriere ich die Nachrichten zur Pandemie. Den Umständen entsprechend.
Steuer muss ich dringend machen. So viele Jahre mit den Elsterformularen war das immer ein Klacks. Ich rechnete nicht damit, dass sich das mit der Umstellung auf meinElster so verkompliziert. Ätzend. Aber da muss ich jetzt durch, wenn ich meine Rückzahlung haben will.
Die Vögel fressen im Turbomodus das Futter weg.
Frühling gibt es in der Sturmpackung und die dritte Welle bekommen wir als Geschenk verpackt. Bloss nicht anstecken auf den letzten Metern! Der Weg bis zur Impfung kann noch lang werden. Aber den Wartemodus beherrsche ich ganz gut. Ich richte mich ein und richte mich aus. Tag für Tag.
Regenbogen auf Müdigkeit.
Sturmtief als Zustandsbeschreibung.
Dienstliches Gefühlschaos.
Die Nerven liegen blank.
Mein dienstlicher Terminkalender explodiert. Kein Wunder, dass die To-Do-List immer länger wird und sich nicht mehr abarbeiten lässt. Drei Krisenherde sind auf Dauer einfach zu viel. Oder müssten anders organisiert, anders strukturiert werden.
Aber heute ist erst einmal Sonntag und die Sonne scheint mir ins Gesicht. Und auf die private To-Do-Liste. Die gibt es ja auch noch.
Rein zu Dokumentationszwecken notiere ich:
In Deutschland gibt es nun mehr als 2,5 Millionen Infektionen mit dem SARS-Cov2 Virus. In insgesamt 192 Ländern gibt es aktuell mehr als 2,5 Millionen nachgewiesene Todesfälle durch das Virus.
Die Quote der Erstimpfungen kratzt an der 6%-Marke. Die Impfreihenfolge wird aufgehoben und das Nachsehen haben die Hochbetagten in häuslicher Umgebung, die nicht fähig sind ins Impfzentrum gebracht zu werden.
Beim Aldi gibt es Selbsttest zu kaufen, die innerhalb von Minuten ausverkauft sind. 5 Stück in einer Packung für ca. 25 Euro.
Tests ohne Strategie sind in Bezug auf die Pandemiebekämpfung wertlos, Materialverschwendung und im schlimmsten Fall sorgen sie für viele zusätzliche Kontakte. Für die persönliche Situation können sie eventuell hilfreich sein.
Homeoffice beginnt mit einem rosa Drama-Morgenhimmel und viel Vogelgezwitscher durch die geschlossenen Fenster. Aktive Familienplanung bei den Vögelchen.
Tee, Müsli mit Orangen und Zimt. Ich mache es mir gemütlich und vermisse Konzentration. Nebenbei sammle ich die Münzen von meiner Insel ein und überlege, was ich mir im Spiel als nächstes kaufe.
Meine ToDo-Liste wird täglich länger. Beide, um genau zu sein. Die dienstliche und die private Aufgabenliste wachsen und der Blick auf den Terminkalender in der nächsten Woche lässt mich leicht erschaudern.
Richtig voran mit der Arbeit komme ich heute nicht. Die wichtigste Unterlage, die ich für meine Ausarbeitungen brauche liegt auf meinem Schreibtisch im Büro. Mein Unterbewusstsein bremst mich aus und möchte, dass ich Pause mache.
5,3 % der Bevölkerung in Deutschland sind aktuell erstgeimpft. KatWarn meldet sich mit Impfterminen in Hessen für 18 – 64-jährige der Priorisierungsgruppe 2.
Das ruhige Gefühl der letzten Tage hält weiter an. Selbst beim Lesen der Twitter-Timeline. So mancher möchte ich virtuell beruhigend über das Haar streichen. Nicht so laut. Dann wird alles doch noch gut.
In der Arbeit zieht langsam Präsenzdruck ein. Noch wehre ich ihn für das Team ab, aber wer weiß, wie lange das möglich ist.
Zum Feierabend laufe ich bei der Stadtbücherei vorbei. Vorgestellte Bücher abholen. In so mancher Hinsicht klappt Service perfekt während dieser Pandemie.
Beim Blick auf den leeren Busbahnhof fragte ich mich heute Morgen, wie es sich wohl anfühlen wird, wenn die Gesellschaft wieder Fahrt aufnimmt.
Zu viel und zu laut, würde ich mal tippen.
Nach den Aufregern der letzten Wochen und Monaten zieht nun eine Gleichgültigkeit in meine Seele ein. Gebannt und ruhig beobachte ich den Anlauf der dritten Welle.
Das Auge des Orkans.
Es fühlt sich ruhig und kuschelig an.