„H wie Habicht“ von Helen Macdonald höre ich abwechselnd zur heftigen Lektüre „Die Unsterblichen“ von Anne Boyer.
Ich balanciere auf meinem Seelenheil. So viele Abgründe rechts und links und vor mir, hinter mir und überall. Eine schwierige Zeit. Andere haben noch schwierigere Zeit, sagt sofort eine Stimme in mir.
Ich weiß, ich weiß.
Es regnet in Marseille. Auf der Webcam sind die Menschen nur als kleine Punkte zu sehen, die am Alten Hafen entlanglaufen. Winzig klein.
Ich wäre gerne so ein kleiner Punkt im Regen.
„Es gibt kein tragischeres Möbelstück als ein Bett, wie leichthin es stürzt – von einem Ort, an dem wir Liebe machen, zu dem Ort, an dem wir vielleicht sterben. Und von dem Ort, an dem wir schlafen, zu dem Ort, an dem wir irrewerden.“
Die Unsterblichen von Anne Boyer
claudia Juli 31st,2021
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In Japan sagt der Präsident bei hohen Infektionsraten zu seinem Volk, die Menschen sollen zuhause bleiben und die Olympischen Spiele im Fernsehen anschauen.
Haha. Das Kriminelle kommt im zynischen Mäntelchen daher.
Die für das Krisenmanagement in den Hochwassergebieten Verantwortlichen sagen, jetzt sei nicht der Zeitpunkt, um nach Schuldigen zu suchen.
Jaja. Sehr einleuchtend. Wenn es um hohe Gehälter geht, argumentieren sie, sie tragen Verantwortung. Wenn nach der Verantwortung um Leben und Tod gefragt wird, dann möchten sie nichts mehr von dieser Verantwortung wissen. Es ist ziemlich krass. Vorallem weil sie die Warnungen in den Wind schickten. Die waren ihnen zu heftig.
Die einen diskutieren mit der Flutwelle und die anderen verhandeln mit dem Virus. Ganz klar: unsere Führungs- und Verantwortungselite. Sie strotzt nur so vor Intelligenz und Gier.
Kleine Erfolge sind klein und erwärmen mein Herz.
Vielleicht ein Schritt in die Richtung, die Erleichterung bringt. Nur für einen Moment oder zwei.
Schön wäre es.
Ein Lichtblick ist ein Lichtblick ist ein Lichtblick.
Für mich.
„Die Unsterblichen“ von Anne Boyer
Ein wütendes Manifest gegen den Umgang mit Krankheit. Ausgezeichnet mit dem Pulitzer-Preis 2020.
Was für ein eindringliches und außergewöhnliches Buch! Und was für eine Sprache!
Die Stadtbücherei hat es auf meinen Vorschlag hin angeschafft. Eine gute Entscheidung. Von allen Leseempfehlungen in diesem Jahr ist es bisher mein Favorit.
Ich werde es gleich noch einmal lesen. Da sind so viele Sätze, die ich in mein Zitateheft schreiben möchte. Das ganze Buch könnte ich markieren.
claudia Juli 25th,2021
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Juliette und Marianne – das Buch habe ich im Bücherschrank an der Bergerstraße gefunden und mit genommen. Eigentlich ein belangloses Buch über eine Dreierkiste. Wirklich kein Thema mit Sogkraft für mich. Aber als ich anfing ein paar Seiten zu lesen, überkam mich die Erinnerung: Ich hatte schon einmal angefangen dieses Buch zu lesen. Das ist fast vier Jahrzehnte her.
Damals hat mich das Buch verstört, es hat mich mitten in meiner größten Lebens- und Liebeskrise erwischt.
Ich las dieses unfassbar fern von meinem Leben fiktionierende Buch und versuchte mir vorzustellen, dass es Menschen gibt, die ihr Leben so leben. Ich las gegen meine Verzweiflung an und gegen meine Niedergeschlagenheit. Ich las dieses Buch wie so viele in dieser Zeit.
Jetzt stelle ich mir vor, dass mein ganzer Schmerz in diesem Buch gefangen ist. In diesem und so vielen anderen. Ich fand diesen Kummer der jungen Frau, wie ein verlorenes Fotoalbum voller Erinnerungen.
Ein Blick zurück. In den Abgrund.
Oder knapp daran vorbei.
claudia Juli 21st,2021
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Ein runder Pandemie-Geburtstag. Eine Zahl so rund und voller Kraft und dennoch so verwunderlich. Das bin ich. Mein Leben aus der Summe dieser Jahre.
Das Erstaunlichste daran ist vielleicht, dass viel weniger Erinnerungen zählen, als ich mir früher ausmalte.
Ein Lebensstrauß.
Mit viel Dankbarkeit und Liebe.
Bin leise geworden in diesen Tagen. Noch eine Spur runtergefahren. Bald bin ich unsichtbar und nicht mehr von dieser Welt.
Na ja. Ganz so weit wird es nicht kommen. Es ist eher die Beschreibung eines Traumzustandes von mir. Weg mit all dem ganzen lautem Zeug. Weg mit so viel Last auf meinen Schultern.
Ich zähle die Jahre, die Monate, die Wochen, die Tage. Ich sehe mich um und atme mich fest.
Wir werden uns finden,
nahe beim Abgrund
oder im tiefen Gewässer
Wir werden uns finden
zum letzten Schicksalstanz.
Ein Zipfel von deiner Zeit steckt in meiner Tasche.
Als Vorrat gedacht
zur Warnung dazu.