Journal09112021

Dieses tiefschwarze Loch genannt Arbeitsplatz brodelt bedrohlich und stößt toxische Dämpfe aus. Alle Warnleuchten blinken, alle Warnsignale heulen.

Niemand ist unverletzlich, jede ist verwundbar.

In mir regt sich ein kleines Seelenwesen, das die Freude am Widerstand anfacht. Nicht übermütig werden, flüstere ich.

Das kleine Wesen kichert höhnisch.

Journal08112021

Im Traum geben mir ungeliebte Menschen Gepäck mit, das ich nicht ablehnen kann. Oder darf. Das ist nicht klar. In meinem Unterbewusstsein nimmt die Angst Anlauf. Ich verbot ihr das Betreten meines Gemüts schon vor einiger Zeit, jetzt versucht sie es durch die Hintertür.

Langsam erkenne ich das Motto der neuen Corona-Strategie: Volksbeschimpfung scheint gerade sehr in. Angewandt wird es von Politiker*innen und dem beschimpften Volk gleichermaßen lautstark.

Jetzt in der vierten Welle wird klar, dass meine schlimmsten Befürchtungen zu Beginn der Pandemie alle – wirklich alle – eingetroffen sind.

Noch hoffe ich, dass es mir gelingt, diese Weltenangst abzuschütteln. Sie ist unnützt. Ballast, den ich nie hätte aufnehmen sollen.

Journal07112021

Heute Nacht im Traum flatterte ein Schwarm Stieglitze um mich herum und trieb mich vor sich her.

Meine Untergangsphantasien märchenhaft verpackt.

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Mich nach meiner letzten Lektüre daran erinnert, wie wichtig Freundlichkeit und Höflichkeitsrituale sind. Wie schnell sie eine Atmosphäre schaffen. Wie schnell das Gift um sich greift, wenn sie fehlen.

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Ich würde so gerne diesen Sonntag festhalten. Ihn anhalten. Die Bremse ziehen. Aber der Alltag wird weiter rollen. Diese vierte Welle wird alles durcheinander wirbeln. In der Zwischenzeit verhandeln andere einen Koalitionsvertrag, begleitet vom allseits beliebten Kröten schlucken. Jeweils im Tausch gegen eine Personalie. Da können es gerne ein paar Kröten mehr sein.

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Journal05112021

Und wieder rollt die Welle. Ungebremst in diesem Herbst. Die politische Verantwortungslosigkeit schreit zum Himmel, gemeinsam mit ihren Schwestern Korruption und kriminelle Energie.

Ich sehe weg und höre nicht mehr hin. Es gibt so viele Bereiche, da möchte ich einfach nicht mehr dazu gehören. Was hat das alles noch mit mir zu tun?

Es ist November. Grauer November. Ich zähle die Wochen durch und die Wochenenden. Gut planen ist eine solide Selfcare-Maßnahme. Keine Lücke im Kalender. So vieles auf Kante genäht. Und dann ist da noch die seit Jahren immer wieder aufgeschobene Entscheidung. Da braucht es einen Freundschaftscut. Einen Schnitt, der lange fällig ist. Wenn er nur nicht so weh tun würde.

Journal31102021

Wort für Wort

nähern wir uns

immer in der Gewissheit,

dass das nächste

uns auseinander bringt.

Journal29102021

Status: Leben in Zeiten einer Pandemie-Achterbahn.

Auf dem politischen Zielschild steht „Normalität“ geschrieben. Meine Eltern im Pflegeheim tragen sichtbar „Verzweiflung“ im Herzen und in der Seele.

Auf dem Fußballplatz schreien Millionäre ihre Privilegen lauthals in die Ränge.

Im Büro ringen wir diskret um Fassung.

Das ist keine Welle, das ist ein Tsunami. Ein Tsunami der Gefühle der Disziplinierten und Regeleinhalter*innen. Wir fahren ohne Netz und doppelten Boden in den Infizierungs-Loop. Schnappen nach den letzten Präsenzkontakten. Alles wird gut.

Nichts wird mehr gut.

Journal23102021

Immer wieder neues Lebensglück einsammeln. Ich halte es fester als in früheren Jahren. Inniger.

Mit jedem Lebensjahr wird das Leben kostbarer.

Das ist dann wohl mein Lebensherbst.

Er wechselt zwischen stürmisch, grau, golden und launisch. Zaubert Farben.

Hoch im Kurs: Trost.

Bildbeschreibung: Die Birke ist im Sturm gefallen.

Journal20102021

Hab mich unsterblich in David von Schitt’s Creek verliebt.

Journal15102021

Sieben Grad zeigte heute morgen das Display über der Apotheke an. Ich hätte es kälter geschätzt. Aber vielleicht kam die Kälte auch von innen. Ich kaue immer noch an dem harten Brocken, der mich seit Tagen beschäftigt. Vielleicht bin ich Weltmeisterin im Gedankenkreisen?

Das Wochenende empfange ich mit offenen Armen. Hab es mal wieder knapp über die Ziellinie geschafft. Die Arbeit zehrt und zerrt.

Zum Ausgleich gibt es auf dem Balkon emsiges Treiben. Die Meisen tanzen. Gestern kam ein Eichelhäher-Päarchen auf Stippvisite und heute balanzierten zwei unbekannte Vögel kopfüber an der Futterstange. Etwas größer als die Meisen, mit leicht rötlichen Bauchgefieder.

Vielleicht stellen sie sich morgen vor.

Journal11102021

Bildbeschreibung: Goldene Flammen in der Nacht

Einen ganzen Abend lang in das Feuer geschaut. Und in den Sternenhimmel. Die Welt gespürt. Den Wind gefühlt.

Akute Herbstlustigkeit entdeckt.

Viel Energie gespeichert.

Träume ein- und ausgepackt.

Nur an einer Stelle hab ich mich verfangen. Seit vierzig Jahren immer die gleiche Stolperfalle, der ich erliege.