Alles hat seinen Preis, sagen sie. (Es sagen immer die, die den Preis nicht bezahlen.)
Alles hat seinen Preis, sagen sie, aber ehrlich ist ihre Währung nicht.
Sie sagen nicht, dass wir jetzt jede Kilowattstunde in vergossenes Blut umrechnen müssen. In zersplitterte Knochen, Leichensäcke und traumatisierte Seelen.
Dass meine private ToDo-Liste in den letzten Wochen so angewachsen ist, dass sie die dienstliche locker abhängt, beschreibt den Zustand meines Lebens recht gut.
Und das fällt alles so locker unter „Freizeit“. Nach diesem Maßstab scheinen Bürokratie sowie Sekretariats- und Recherchearbeiten meine bevorzugten Lieblingsfreizeitbeschäftigungen zu sein.
Wie sanft, leicht und märchenhaft die Welt erscheint, wenn draußen unerwarteter Schnee alles bedeckt.
Natürlich nur von der warmen Innensicht aus betrachtet. Gehst du raus, rutscht du durch die schwere Nässe. Da ist kein Halt, keine Beständigkeit. Nichts zum Greifen.
Ob die Blüten es überstehen?
Bildbeschreibung: Rosa Blüten unter SchneeBildbeschreibung: Schnee am Bornheimer Ratskeller mit blühenden ForsythienBildbeschreibung: Verschneiter Weg mit Baumreihen am Bornheimer Hang
Bildbeschreibung: Blaue Dekokugel vor grünem Hintergrund im Regen
Der April verschafft sich mit einem Winter-Paukenschlag Zutritt ins Kalenderjahr.
Ich bin immer noch matt und niedergestreckt von der Allergie und den Umständen.
Außerdem dröhnt der Krieg durch mein Gemüt. Heute Nacht las ich das lange Interview mit dem BASF-Menschen. Klar, der warnt vor dem Gas-Embargo, weil es diese Firma ziemlich trifft. Aus diesem Interview erfahre ich, dass sie die Gasspeicher an Gasprom verkauft haben. Der Bund hätte kein Interesse an dieser Infrastruktur gehabt. Meine Güte! Was haben die uns verraten und verkauft. Auf jeder nur möglichen Ebene.
Ein Elend.
Bildbeschreibung: Blaue Dekokugel mit Schneemützchen vor verschneitem grünen Hintergrund
Aktuelle Lektüre: Pflegeberichte, Blutwertetabellen und Email-Kommunikationsschleifen. Dazu das geografische Studium der medizinischen Infrastruktur auf dem Lande.
Die Angst hinter Daten, Tabellen und Listen verstecken.
Ich hatte ja keine Ahnung. Absolut keine Ahnung, was da auf mich zukommt.
Seit dem Jahreswechsel 2021 höre ich jeden Abend „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ von Proust. Jeden verdammten Abend (seit 15 Monaten) zum Einschlafen. Ich schlafe ein dabei. Oder auch nicht. Ich höre fünf Minuten und verschlafe den Rest. Oder ich höre die ganze Podcast-Folge und weiß trotzdem nicht, was eigentlich Sache ist. Ich höre Proust, ganz genauso, wie ich ihn mir hätte vorstellen können, wenn ich mir eine Vorstellung hätte machen sollen. Ein ewig gleichmäßiger Strom des Erzählens. Eine Stimme, die immer weiter spricht. Die nie an ihre Grenzen kommt.
Aber nun bin ich bei Folge 10 der wiedergefunden Zeit. (Von der ich nichts wusste, nichts ahnte.) Und jetzt tobt der erste Weltkrieg in den gleichförmigen Erzählstrang und ich kann ich mehr schlafen, finde nicht mehr in die Nacht. Weil dieser Krieg sich verschmilzt mit dem anderen Krieg, den der am Tag wütet und nichts daran ist verloren. Alle Gewalt ist wiedergefunden. Nimmt das denn niemals ein Ende? Und wer hat jetzt bitte welche Zeit wiedergefunden oder verloren?
Passend zur Lage der Welt trage ich Tränen in den Augen. Will aber nicht verheimlichen, dass ihre medizinische Ursache wohl auf der Immunreaktion der Pollenattacke beruht. Der Frühling brummt und tobt. Ich traue mich heute nicht, ihn in Bildern einzufangen.
Lese intensiv und wie besessen die Tage- und Notizbücher von Patricia Highsmith, die ich eigentlich gar nicht lesen wollte.
Sie hat so viel schlimme Sachen von sich gegeben, dass ich ihr keinen Raum in meinem Leseherzen mehr zugestehen wollte.
Kernkompetenz: Müdigkeit in die Welt hineinseufzen.
Vermisse Wolle zum Stricken oder Häkeln und sehe mich in der Hafenstadt danach um. Es gibt Stoffläden und buntes Allerlei. Weit und breit keine Wolle. Es ist ein Fehler ohne Wolle auf Reisen zu gehen. Und wenn du zwanzig Stunden Verspätung hast, dann wird dir klar, dass du Wolle als Kriseninterventionswerkzeug dringends brauchst. Falls ich meinen Flucht-Rucksack doch mal packen sollte, wird Wolle drin sein. Ich kann auch im Dunkeln stricken. In der Nacht.
Aber eigentlich habe ich mich gegen das Flüchten entschieden. Es hätte nicht viel Sinn. Ich bin nicht mehr fit genug. Im Falle eines Falles bliebe mir nur der Rückzug, denn zum Kämpfen bin ich ebenfalls nicht geeignet. Nicht erst seit Altersgründen offensichtlich sind.
Ich hab doch noch Wolle gefunden. In einem hippen, fancy Laden in dem es Wolle ab 1,80 Euro für 10g (!) gibt. Wunderbare Wolle. In einer Ecke lag ein kleiner Rest den ich mir zu Herzen nahm und zur Kasse trug.