Entfernungen
buchstabiere meine Träume
schenke mir dein Schweigen
Atem um Atem
entfernen wir uns
buchstabiere meine Träume
schenke mir dein Schweigen
Atem um Atem
entfernen wir uns
Sehnsucht nach Eisblumen
die Kälte soll blühen
knistern und splittern
mehr Zuversicht ist heute
nicht im Angebot
Im Pflegeheim wird gebacken und spontan getanzt. Das Virus soll bitte draußen bleiben. Es wird schwerer die Schleusen zu überwinden. Ach, ach. Die Boosterimpfung für die Hochbetagten um drei Wochen verschoben. Der Impfexpress fällt aus, weil die Impfdosen nicht beikommen. Die Pandemie dreht sich um ein schwarzes Loch in dem jeder Sinn verschwindet.
Vier Tage hatte ich die Zeit angehalten. Jetzt tickt die Uhr ganz aufgeregt.
Freitag ist im Büro zum Tag der Beichttelefonate geworden. 80% Zuhören am Telefon. 20% bleiben für meine ToDos. Die Welt rüttelt sich zurecht und die Menschen versuchen ihren Platz zu erhalten. Sie üben sich im Klammergriff, der absehbar nicht halten wird.
Ich versuche die Pandemie und ihre Dramatik auszublenden. Es kommt alles so, wie es kommen muss, weil seit dem Sommer klar war, dass niemand gewillt ist einzuschreiten. Der Wahlkampf hat uns das Genick gebrochen.
Meine Gedanken kreisen schon lange nicht mehr, sie ziehen sich zurück, wie das Meer kurz vor einem Tsunami. Dann brechen sie über mich herein und überfluten mich mit Angst, Kummer und Sorge.
Habt ihr Liebe übrig?
Sät sie ein am Straßenrand.
Sie wird gerade überall dringend gebraucht und verbreitet sich gerne und üppig.
Ignorieren, das hatte ich mir vorgenommen. Ignorieren und durchmarchieren. Irgendwie.
Die Nachrichten werden krude und kruder. Jetzt bekommt die Virusverharmlosungspartei das Gesundheitsministerium. Mitten drin in der Pandemie-Katastrophe.
Oh, Leute! Was habt ihr da zusammengewählt!
Ihr spaltet mein Herz.
Weinen.
Das ist die angemessene Reaktion auf den aktuellen Zustand.
Tränen für die Toten und die Einsamen.
Tränen für die Abgeschnittenen.
Tränen für eine Gesellschaft, die ihre Ethik nicht verteidigen kann.
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Wäre ich eine Künstlerin, würde ich eine Wein-Performance inszenieren. Eine Demonstration der Tränen. All die Verzweiflung, die Wut, die Trauer, die Ohnmacht will weggeweint werden.
Tag und Nacht und Nacht und Tag.
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In Sachsen heben sie das Sonntagsarbeitsverbot für die Bestatter*innen auf. Soll niemand sagen, dass die Politik untätig bleibt.
Und die Bundeswehr steht bereit, um die totkranken Menschen durch das Land zu schippern. Soll niemand sagen, der Politik seien Menschenleben egal.
Und die Menschen brauchen jetzt Weihnachtsmärkte und Mandelduft, sagt der Oberbürgermeister. Soll niemand sagen, dass nichts für die Psyche der Menschen getan wird.
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Von der Wirtschaft und der kassenärztlichen Vereinigung schweige ich heute lieber.
Ignorieren und wegducken ist jetzt meine Strategie. Die Politik verabschiedet heute ein Gesetz, mit dem sie die einzig wirksamen Maßnahmen während einer grassiert grassierenden Pandemie verhindert. Gleichzeitig mit 65.000 neuer Höchststand an Infektionen. So müde.
So müde. So müde. Müde in allen Schattierungen. In jeder Lautstärke. Müde. Jede Zelle gibt Müdigkeit ab. Verwandelt Zeit in Müdigkeit.
Bin unentschlossen wie meine persönliche Strategie der nächsten Wochen aussehen könnte. Meine mentale Strategie, meine ich. Die praktische Strategie durch die vierte Welle zu kommen, lautet: Kontakte reduzieren. Auf allen Ebenen. Allerdings nicht mehr auf Kosten der Hochbetagten. Das mache ich nicht noch einmal.
Mental schwanke ich zwischen ignorieren und „das halte ich im Kopf nicht aus“. Um durch Krisenzeiten durchzukommen brauche ich Linien. Rahmen. Thesen an denen ich mich festhalten kann.
Für den Beginn der Pandemie habe ich den richtigen Halt gefunden. Nun bin ich mir nicht sicher. Jetzt ist es anders. Jetzt ist alles, was passiert vorsätzlich. Wir werden wieder vierstellige Todeszahlen innerhalb von 24 Stunden bekommen. Geopfert auf verschiedenen Altaren.
Fahrlässige Körperverletzung mit Todesfolge ist kein Synonym für Freiheit. Und Regierungsverweigerung ist tödlich.
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Ignorieren. Wenn es irgendwie geht, entscheide ich mich fürs Ignorieren.
Exponentielles Wachstum gleich in zwei Krisenbereichen. Der Druck wächst von allen Seiten.
Diese Pandemie liefert der Geschichte stimmungsreiche Untergangsbilder. Die Dekadenz schwurbelt vor sich hin und schunkelnd zu Karnevalmusik reißt die vierte Welle täglich ihre Rekorde.
Der persönliche Krisenherd riecht schon ziemlich angebrannt. Aber ein Feuerlöscher ist nicht in Reichweite. Dieser Schwelbrand lässt sich nicht mehr austreten. Das ist sicher.
Fortsetzung folgt.