Alle meine Sorgen trage ich in meinem Rucksack nach Hause. Nicht symbolisch, sondern im wahrsten Sinne des Wortes. Ein ganzes Bündel Papiere zusammengestellt aus der kompletten Lebensbiografie von zwei Menschen sortiert und geordnet, überprüft und verworfen und wieder neu zusammengestellt.
Pflege ist teuer. Das Geld schmilzt dahin und bald wird nichts mehr übrig sein.
Wir seufzen zusammen. Ändern können wir nichts. Es bricht uns das Herz.
So viel ist zu bedenken.
Ich fahre dann wieder.
Nehme meine Sorgen in ihrer bürokratischen Erscheinungsform mit und werde gestoppt von den „Spielenden Kindern im Gleis“. 95 min Verspätung, aber null überfahrene Kinder. Das ist wohl die gute Nachricht des Tages.
Jetzt ist es also offiziell: der Maskenschutz in der Dienststelle ist weg.
Gefallen, sagen sie. Die Maskenpflicht sei gefallen. Für mich fühlt es sich aber so an, als sei mein Schutz weg gefallen.
T ja. Nicht jammern. Weiter gehen. Immer weiter gehen.
Ich versuche wenig nachzudenken. Einfach die Dinge regeln, die unbedingt geregelt werden müssen. Das sind eine ganze Menge.
Und dann noch die Vorfreude. Große, verhaltene, innige Vorfreude. Auf ein wunderbares Land. Bei den Einreisebestimmungen steht als Warnung: Es kann zu Engpässen bei Dingen des täglichen Bedarfs und Medikamenten kommen.
Keine Besserung in Sicht. Nicht im Großen. Nicht im Kleinen.
Weinen. Ich weine Tränen, um die Menschen und um die Welt.
Eine muss diese Tränen weinen. Zwischen Wut, Zorn, Verzweiflung, Angst und Ignoranz muss eine die Tränen um und für die Welt weinen. Intensiv und unvergesslich. Beharrlich.
Körperlicher Zustand: das Japsen und Stöhnen mit der doppelten Dosis Allergiemedikament angegangen. Voraussichtlich wird mich das in einen verdösten Pufferzustand versetzen, aber die wunderbaren Pollen, lassen mir keinen Spielraum.
Bin zurück von meiner Familienreise am Alptraum-Reisetag Gründonnerstag. Übervolle Züge mit Bundespolizei-Ausstiegsservice. Nennen wir das mal so. Früher wurde die Bundespolizei ja erst geholt, wenn sich die Türen nicht mehr schließen ließen. In meiner Erinnerung waren diese Situationen nicht halb so schlimm, wie ich es heute von meinem privilegiert reservierten Platz aus erlebe.
Das Alter verändert bei mir die Sicht auf viele Situationen.
Wie auch immer, ich bin wieder zuhause. Erschöpft und erledigt. Froh über die Feiertage. Ich werde sie ehren und genießen.
Bildbeschreibung: Claudia trägt rote Hosen und häkelt in der Zweiersitzreihe des ICE, in der Ecke der bunte Rucksack, ein Schal auf dem Schoß
Im ersten, frühen Zug war die Reisewelt noch halbwegs in Ordnung.
Die Augen kratzen, die Nieserei schüttelt mich durch, ich japse und ächze, aber ich kann heute und morgen auf keinen Fall Allergiemedikamente nehmen. Dann wäre ich ausgeknockt. Besser nicht.
Abenteuer in vollen Zügen ist angesagt. Ich hoffe auf eine Portion Gelassenheit.
Ansonsten gibt es nicht viel zu schreiben. Ich meide die Nachrichten, ich meide die Aufregung, ich meide die Konfrontation. Meine Arbeit rupfe und zupfe ich mir zurecht, Teile voller Konzentration, aber auch zeitweise sehr zerstreut. Manchmal sehe ich die blühenden Bäume und denke: Oh, es ist Frühling! Wie schön. Ich sehe auf den Kalender und möchte die Zeit etwas bremsen. Dann frage ich mich wieder, in welchem Jahr wir eigentlich leben.
Jedenfalls gibt es Krieg. Der lässt sich nicht ignorieren. Er durchdringt die Zukunft und die Vergangenheit. Wir stecken fest im Schlamm schlechter Entscheidungen.
Alles hat seinen Preis, sagen sie. (Es sagen immer die, die den Preis nicht bezahlen.)
Alles hat seinen Preis, sagen sie, aber ehrlich ist ihre Währung nicht.
Sie sagen nicht, dass wir jetzt jede Kilowattstunde in vergossenes Blut umrechnen müssen. In zersplitterte Knochen, Leichensäcke und traumatisierte Seelen.