Es ist schön hier. Keine Frage. Wunderschön. Aber traurig ist es auch. Dieser entsetzliche Mangel an dem, was ein Mensch so braucht. Zu wenig zum Leben, zu viel zum Sterben. Die Pandemie hat Kuba noch mal ziemlich zugesetzt. Es fehlt an so vielen Dingen.
Sie schickt mir ein Foto und schreibt: bald ist es ein Jahr her.
Erst in diesem Moment wird mir klar, wie sehr sich unser Leben seither verändert hat. Für einen Moment, denn noch ist nicht die Zeit, das Geschehende aufzuarbeiten. Noch machen wir uns gegenseitig auf unser Seufzen aufmerksam. „Ich möchte nicht klagen“ ist in diesem speziellen Fall der familieninterne Code, der Triggeralarm dafür, dass die Klage, die Sorge, die Trauer bis zum Himmel reicht.
Der, der am schwersten kämpft, seufzt täglich sein Mantra „Ich habe keinen Grund zum Klagen.“
Mein Gemüt ist längst bereit zu klagen.
Im nächsten Leben werde ich mit Inbrunst zum Klageweib. Ich verstehe längst, warum diese Frauen so wichtig waren.
Dieser Tag schweigt mich an. Von Anfang an. Er schweigt in brütender Hitze.
Nochmal davon gekommen. Geld heilt manche Wunde. Ich weiß das sehr zu schätzen.
Sorgen mit Geldscheinen auswedeln. Manchmal geht das.
Ansonsten kann ich mich kaum konzentrieren. Ich lausche mehrmals am Tag dem, der seine Frau schwinden sieht. Nach jahrelanger Krankheit schimmert die Trauer durch. Die Panik. Nichts wird wieder gut. Wir wissen es, aber wir denken es nicht. Tabu.
Heute wieder so ein anstrengender Tag im Belastungstunnel-Modus.
Dann gehen die Türen der Straßenbahn auf, der Wind wirft einen Ballen Blütenblätter in die hintere Tür und durch die Straßenbahn weht plötzlich ein Blütenblätter-Zauber.
Alle meine Sorgen trage ich in meinem Rucksack nach Hause. Nicht symbolisch, sondern im wahrsten Sinne des Wortes. Ein ganzes Bündel Papiere zusammengestellt aus der kompletten Lebensbiografie von zwei Menschen sortiert und geordnet, überprüft und verworfen und wieder neu zusammengestellt.
Pflege ist teuer. Das Geld schmilzt dahin und bald wird nichts mehr übrig sein.
Wir seufzen zusammen. Ändern können wir nichts. Es bricht uns das Herz.
So viel ist zu bedenken.
Ich fahre dann wieder.
Nehme meine Sorgen in ihrer bürokratischen Erscheinungsform mit und werde gestoppt von den „Spielenden Kindern im Gleis“. 95 min Verspätung, aber null überfahrene Kinder. Das ist wohl die gute Nachricht des Tages.
Jetzt ist es also offiziell: der Maskenschutz in der Dienststelle ist weg.
Gefallen, sagen sie. Die Maskenpflicht sei gefallen. Für mich fühlt es sich aber so an, als sei mein Schutz weg gefallen.
T ja. Nicht jammern. Weiter gehen. Immer weiter gehen.
Ich versuche wenig nachzudenken. Einfach die Dinge regeln, die unbedingt geregelt werden müssen. Das sind eine ganze Menge.
Und dann noch die Vorfreude. Große, verhaltene, innige Vorfreude. Auf ein wunderbares Land. Bei den Einreisebestimmungen steht als Warnung: Es kann zu Engpässen bei Dingen des täglichen Bedarfs und Medikamenten kommen.