Ich google „was nehme ich mit ins Krankenhaus“. Ich recherchiere Patientenzimmer. Ich wünschte, es würde mehr Anleitungen geben. Dinge an die ich mich halten kann. Die Kopie des wichtigsten Informationsblatts ist mir schon abhanden gekommen. Das, in der die Stellen für die Gewebeprobe angekreuzt waren. Irgendwie ziehen sie eine richtige Zaubershow ab mit den Papieren, die sie dir in die Hand drücken und von Station zu Station tauschen sie es wieder aus. Mit verschiedenen Unterschriften versehen. Stempel manchmal auch.
Ich ärgere mich, dass ich keinen besseren Überblick habe und weiß doch, dass das gar nicht möglich ist.
Sieht so aus, als würde ich viel lernen in den nächsten Wochen.
Das Bedürfnis über Tage und Wochen zu schweigen. Schweigend diese Zeit begleiten. Die Pandemie, der Krieg, die Inflation, die schwindende Welt des Wohlstands.
Das Bedürfnis, den Kopf aus Fassungslosigkeit zu schütteln, schon lange verloren. Zu viel Energieverlust. Zu abgestumpft.
Das Bedürfnis, die Welt aus den Angeln zu heben und sie neu zu justieren. Jetzt noch einmal neu beginnen. Ein sinnloser Traum.
Zum Dokumentieren gibt es genau einen Punkt: Berichte, die von den Missständen in der Pflege oder der Medizin handeln, sind nur die Tropfen, die überlaufen. In Wirklichkeit rollt längst eine Flutwelle über die Gesellschaft. In der Realität und im Einzelfall ist alles tausenmal schlimmer.
Doch. Ich fand die Konzentration zu den Lesungen in Klagenfurt vor dem Fernseher. Allerdings nicht die Konzentration, um sie hier in der Sammelmappe zu dokumentieren. Es gab einige wenige Texte, die ich sofort in mein Herz schloss, einige die Achselzucken bei mir hervorrufen und auch welche, die ich unfassbar flach fand.
Bei der Jurydiskussion schalte ich innerlich oft ab. Früher konnte ich mich da voll emotional reinhängen, heute sehe ich eher die durchsichtigen Verstrickungen und wende mich ab. Nicht mein Milieu, nicht meine Angelegenheit. Sie sind auf so viele unterschiedliche Weisen blind, aber trotzdem feurig ehrgeizig. Ich freue mich wenn professionelle Aussagen aufblitzen, nur selten erhellt die Jury mir den Hintergrund. Es ist trotzdem toll, dass es dieses Format gibt und irgendwann fahre ich auch wieder hin und sehe mir das aus der Nähe an.
(und über all diesen Tagen und Wochen schwebt die Sorge, die Trauer, die Fassungslosigkeit, das Leben wiegt schwer)
Morgen beginnen die Lesungen zum Bachmannpreis in Klagenfurt. Ohne mich. Hab monatelang die Reservierung in der Bahnhofskneipe aufrecht erhalten. Das letzte Zimmer, das noch buchbar war. Aber dann stellte es sich heraus, dass der Zug nicht mehr fuhr. Diese wunderbare durchgehende Verbindung. Mehr als acht Stunden, aber machbar. Jetzt ist er weg dieser Zug und damit für mich auch die Möglichkeit, die vier Tage zuzüglich den beiden Anreise- bzw. Abreisetagen zwischen meine laufenden Termine zu quetschen.
Aus die Maus.
Abharken und weitergehen. Bin mir nicht mal sicher, ob ich die Konzentration aufbringe, mir die kompletten Lesungen und Diskussionen am Fernseher anzusehen. Ist halt doch ein komplett anderes Gefühl. Überhaupt ist Konzentration keiner meiner Schwerpunkte in diesen Wochen. Meine Gedanken und Gefühle zerstreuen sich.
Lange, friedliche Tage. (Wenn eine die Nachrichten ausblendet. Und das Unvermeidliche akzeptiert.)
Große Lust auf Altersleichtigkeit, aber sie hält sich noch sehr bedeckt. Werde sie erst hervorlocken müssen, bisher sind meine Kompetenzen in dieser Hinsicht noch bescheiden.
Intensives Studieren des Rentenverlauf begleitet von einem tiefen Seufzer.
Erkenntnis des Tages: In meinem Leben fehlt die Kunst. Umfassend.
Physischer Gesamtzustand: Fühle mich wie aus dem Weltall zurück gekehrt und fremdle noch.
Alle Glieder meines Körpers zeigen mir gerade gemeinsam schmerzhaft ihre Präsenz an und das Gemüt ist noch kräftig durchgeschüttelt. Versuche mich jetzt vorsichtig wieder in mein Leben reinzutasten.
Mein Fotos aus La Habana sind rekordverdächtig langweilig. Unspektakulär. Nicht im mindestens so, wie die Atmosphäre, die diese Stadt ein- und ausatmet. Wie überall in Kuba gibt es auch hier nur wenig Tourist*innen. Es ist ein bisschen gespenstig. Touristenorte ohne Touristen. Ein Thema für sich. Ansonsten sind die Menschen mit dem Beschaffen von Essen und Trinken beschäftigt. Die Pandemie wirbelt hier alles kräftig durcheinander.
Ich wünsche mir für die Menschen hier, unspektakuläre und ruhige Zeiten, die mindestens so langweilig wie meine Fotos von hier sind. Denn nicht selten sind dies die glücklichen Zeiten.