Journal11032023

Ein Herpes hat sich frech auf meine Oberlippe gepflanzt.

Nein, ich hätte auch ohne seine Erscheinung nicht vergessen, dass ich verwundbar bin. Vor drei Jahren habe ich geahnt, dass mein Gesundheitszustand nie wieder dieses freundliche Grün als Zustandsstatus ausstrahlt. Mit Orange lässt es sich in den 60ern auch leben.

Ich salbe mich und schlafe und träume. Nichts rüttelt sich im Moment zurecht.

Schneeregen

Der Frühling versteckt sich im Nebel und Schneeregen. Aber sein Grün leuchtet schon satt.
Ich spüre, dass er in der Nähe lauert.

Zu klein für das Foto: das Schneeglöckchen-Meer

Bildbeschreibung: Balkonblick ins Grüne bei Schneeregen, im Hintergrund grauer Nebel

Journal05032023

Er wird mir fehlen. Die linke Seite unserer Lieblingsbank ist jetzt baum- und schutzlos. Ich kann an den Stücken nicht erkennen, wie krank er war. Aber im letzten Sommer da wirkte er schon sehr schwach mit seiner dürftigen Krone im Kreise seiner wuchernden Geschwister.

Bildbeschreibung: Abgesägte Platane in Stücken, darüber rot-weißes Absperrband.

Journal04032023

Wort finden für diesen Abgrund an Müdigkeit.

Heute morgen die Tabletten verwechselt und damit einen neuen Müdigkeitsgipfel erreicht.

Journal02032023

Wieder zurück von der Dienstreise und sofort platt auf mein Sofa gefallen. Müde. Endlos müde. Aber hilft ja nichts, die Arbeitswoche ist noch lange nicht am Ende angelangt. Augen zu und durch. Nächste Woche gibt es wieder ein Behandlungslichtblick. Oder einen Strohhalm an den ich mich anhänge. Soll niemand sagen, dass ich nicht auch ab und zu eine Optimistin sein kann.

Es war kalt heute morgen und dazu der Rucksack noch so schwer und ungeschickt gepackt, dass ich unterwegs auf die U-Bahn aufgesprungen bin. Morgen streiken U-Bahnen und Straßenbahnen, wir hoffen alle auf einen guten Tarif und mit diesem Gedanken im Kopf läuft es sich leichter.

Journal27022023

Morgen verreise ich und kann mich nicht für ein passendes Gepäckstück entscheiden. Mir fehlt mein kleiner roter Lieblingskoffer, dem ich ein Nachleben in der Karibik gegönnt habe.

Bewusst. Ganz bewusst hab ich ihn verabschiedet. Die ursprüngliche Idee, ihn im Main zu versenken, wenn meine Zeit der fremdbestimmten Arbeit vorbei ist, habe ich aus Umweltschutzgründen verworfen. Obwohl mir der Gedanke schon gut gefiel, die Jahrzehnte der Arbeit mit einem Ritual aus einem drittklassigem Krimi zu beenden.

Virtuell natürlich nur. Oder im Traum.

Jedenfalls war irgendwann klar, dass der rote Koffer nicht zur Obsession werden durfte. Also musste er verschwinden. Mit wertvollem Inhalt zu wohltätige Zwecken.

Und schon war ich ganz aus Versehen, im nächsten viertklassigem Mysteriethriller gelangt. Von dort aus ging es weiter zur tragischen Liebesgeschichte, die von der Unmöglichkeit handelt, den kleinen, roten Koffer zu vergessen.

Wie soll ich da jemals wieder unbeschwert packen?

Journal25022023

Antje schreibt kluge Sachen zum Krieg, zum ersehnten Frieden, zur Inszenierung von Männlichkeit im Krieg.

Es gibt Situationen, in denen man notwendigerweise Krieg führen muss – weil alles andere noch schlimmer wäre. 

Tiefer Zustimmungsseufzer meinerseits.

Journal24022023

Freitag.

Das Wochenende heiß ersehnt. Erschöpft auf die Ziellinie zu gekrabbelt. Jetzt noch ein paar tiefe Seufzer ausstoßen und den Rest der Arbeitswoche zusammenkehren.

Rosenmontag

Strahlend bblauer Rosenmontag. Ruhiger Bürotag mit langen Gesprächen, Vernichtungsaktionen und ein paar Scherben, die ich nicht kitten kann.

Bildbeschreibung: Fünf junge Frauen in kurzen Tüllröcken gekleidet, mit weißen Strümpfen und roten Oberteilen laufen in einer Reihe vor mir den Bahnsteig entlang. Am Gleis steht ein roter Nahverkehrszug. Am Ende der Bahnhofshalle noch morgentliche Dunkelheit.

Rosemarie Trockel

Wir waren im Museum für moderne Kunst MMK in Frankfurt und Jutta schreibt darüber.

Bildbeschreibung: Bild aus der Ausstellung Rosemarie Trickel – das Aquarell einer Blume mit dem gepinselten Text „I Die For You“

Für mich war diese Ausstellung ein Glücksgriff. Es ist eine Freude, die vielen unterschiedlichen Werke wahrzunehmen. Und was für ein Humor, da ab und an verborgen ist!

Ich gehe bestimmt noch einmal hin. Hab ja jetzt endlich wieder eine Museumsufercard.

Das ist eine Ausstellung, die nicht nur über das Auge anspricht. Heute Nacht träumte ich intensiv davon. Mein ganzes Leben finde ich da wieder.