Lebensverschmutzung

Zu viele mit Gleichgültigkeit verschmutzte Leben.

Kinderphilosophie

Wenn es regnet sind alle Schaukeln frei.

Journal29072023

Hab über meinen gestrigen Eintrag nachgedacht und darüber, warum er so jämmerlich klingt. Eigentlich gelten meine Klagen nicht der Bahn und dem Komfort oder Nicht- Komfort auf der Fahrt. Reisen an Wochenenden zu Beginn der Sommerferien ist weder im Zug noch im Auto schön. Das ist schon klar. Aber ich reise nicht zu meinem Vergnügen. Ich reise in dunkle Zeiten, mit Gewicht auf der Seele.

Das Jammern und Klagen hilft mir den Boden unter meinen Füssen wieder zu finden.

Lauter Ersatzklagen und eine kräftige Portion Trauer ist auch dabei.

Journal28072023

Hab mich mutig in den Zug gesetzt und die angeschlagene Sommerferien-Baustellen-Infrastruktur mit Verachung gestraft. Mir könnt ihr gar nichts anhaben. Die U-Bahnen fahren nicht, die meisten S-Bahnen auch nicht. Die Stecke Frankfurt-Mannheim ist ein Abenteuer wert. Die eine Rheinseite ist gesperrt oder eingeschränkt ( so genau weiß ich das nicht, ich komme nicht mehr hinterher, bin nicht auf der Höhe der Baustellenmeldungen.) Morgens weckt mich die App und flüstert mir ins Ohr, dass jetzt leider noch eine klitzekleine Brücke ausfällt, der Zug fährt also lieber nach Frankfurt Süd statt an den Hauptbahnhof. Aber das war nur die Aussage am Morgen, am Abend wird er ganz ausgefallen, wegen eines Notarzteinsatzes. Die Anschlusszüge im Nahverkehr begnügen sich mit Schneckentempo. Es lässt sich sogar ein Muster zur Berechnung der realen Fahrzeiten erkennen: sowohl auf der Hinfahrt als auch auf der Rückfahrt kamen ungefähr genauso viel Verspätung dazu, wie die Fahrt regulär gedauert hätte.

Keine Klagen gab es dieses Mal über die Mitfahrenden. Alles nette, freundliche und zugewandte Menschen. Das ist keine Selbstverständlichkeit, das hatte ich schon komplett anders erlebt.

Die Krönung dieser Fahrt war der Zug nach Milano. Sechs Wagons. Jeder genau eine Toilette. Von drei der Wagons waren bei zwei die Toiletten defekt und die dritte war 10 Minuten nach Abfahrt in Frankfurt – da startet dieser Zug – verschissen und verpisst. Die reinste Freude für die Menschen, die nicht wie ich in Karlsruhe wieder aussteigen konnten.

Ich kann mich erinnern, dass ich so viele Jahre gerne Bahn gefahren bin. Kreuz und quer durch Deutschland und die eine oder andere Baustelle war auch dabei. Aber im Moment macht sie es mir wirklich schwer, sie zu lieben.

Journal26072023

Hier wird eindeutig zu wenig geschrieben in der letzten Zeit. Zum Teil liegt es daran, dass mir immer mehr die Worte fehlen. Einfach so. Die Worte fehlen für die Welt, den Krieg und das Verderben. Sie fehlen aber auch für die Erschöpfung und die Müdigkeit. Selbst für die kleinen stillen Freuden fehlen die Worte. Für die Liebe, die Freundschaft oder den Alltag.

Das Alter macht mich unerwartet sprachlos.

Aber vielleicht gibt es Hoffnung und das gilt nur für die Zwischenzeit. Vielleicht finden mich die Worte wieder, wenn mein Leben mir gehört. Langsam kann ich die Tage zählen, denn mein Entschluss steht fest. Hab die Arbeit und die Gesundheit in die Waagschalen geworfen und mich für die Gesundheit entschieden. Jetzt ist die lange Zeit des Brückenbau angebrochen.

Journal18072023

Hatte das Buch schon zweimal in der Bücherei ausgeliehen und jedes Mal geduldig viele Wochen gewartet bis ich dran war.
Aber jetzt wurden Nägel mit Köpfen gemacht und es angeschafft. Die Frau im Buchladen meinte, es sei eher ein Möbelstück als ein Buch. Das kann ich nicht gestätigen. Es ist der Inbegriff eines Lieblingsbuch. Dick mit Lesebändchen und voller Geschichten.

Bildbeschreibung: Das Buch Prosaische Passionen liegt auf meiner Kommode aus Kiefernholz.

Abwesenheitsnotizen

Wenn ihr Literatur und Lyrik mögt, dann lege ich euch den Newsletter von Julia Knaß ans Herz.

So viel Lob, wie sie verdient, kann ich hier gar nicht aufschreiben.

Lebenstage und Nachtgesänge

Möchte mir die

Lebenstage neu zusammenwürfeln

die voller Glück und Sonnenschein

wild vermischen

mit den blutigen

Nachtgesängen.

So viel Herzschmerz.

So wenig Wunden.

Weiterlesen

Zweiter Tag der Lesungen zum Bachmannpreis. Heute etwas fitter, aber immer noch angeschlagen. Ganz toll fand ich die Lesung von Martin Piekar. Richtig großartig. Jacinta Nandis Text fand ich sehr lustig, aber nicht herausragend. Ein unterhaltsamer Text für viele Lebenslagen.

Wie immer beim Verfolgen der Jurydiskussion kommt bei mir irgendwann der Punkt, an dem ich ihre Arroganz unangenehm empfinde. Das hat sich heute über den Tag wieder so aufgeschaukelt. Da sitzen sie in ihren Privilegien-Sesseln und bürsten die Literatur je nach Laune mit oder gegen den Strich. Sie beweihräuchern sich und nehmen sich dann gegenseitig das Krönchen aus der Hand.

Es fühlt sich nicht richtig an, sie ernst zu nehmen.

Lesen und hören

Erster Tag der Lesungen zum Bachmannpreis. Mir ist ganz flau an Körper und Gemüt, was nicht an den Lesungen liegt, sondern an der gestrigen Impfung. Sie hat mich so ausgeknockt, dass ich Lesungen und Jury Diskussion liegend mit geschlossenen Augen verfolge. Ausfallbedingt gibt es nur zwei plus zwei Lesungen. Das liegt deutlich mehr in dem Bereich meiner Aufnahmefähigkeit, als die übliche drei plus zwei Kombination.

Zwei der Texte gefielen mir ausnehmend gut, zwei fand ich blaß und fad.

Jayrome C. Robinet liest auf Einladung von Mithu Sanyal den Text „Sonne in Scherben“. So ein Geschenk von Text als Einstieg!

Valeria Gordeev liest auf Einladung von Insa Wilke den Text „ER PUTZT“.

Der Wasserhahn. Typische Kalkflecken, scharfkantig umkrustete, matt versprenkelte, weiße, durchscheinende Flecken. Jeder Fleck ein getrockneter Wassertropfen. Oberflächenspannung. Die mineralischen Bestandteile sinken zu Boden und bilden eine Ablagerungsschicht, kristalline Strukturen, ein Zeichen der Wassergüte: Äonen Erdgeschichte sickern ins Grundwasser, bis sie ein kräftiger Ruck, Jahrtausende überwindend, eine Stichstraße hinauf an die Oberfläche befördert und sie auf Leitungen verteilt, in Leitungen verzweigt, kühl und sauber strömend zu den Menschen zurückkehren lässt. Kalkflecken kann man nur gern haben.