Lesungen zum Bachmannpreis – Tag 3
Lydia Haider eingeladen von Nora Gomringer
Also das Tier sieht rot wie dein Blut rot steht in deiner Bauform Freund, wenn du den Braten einstichst mit dem Messer oder der Rotwein dir aus der Hand geht und das Tischtuch färbt wie so Rosen und Nelken in’s Grab geworfen letztlich, weil’s nicht anders geht noch kann, muss es sein dir in dein Sehen zu ziehen mit Untrost direkt und wahr gemäß der Rotheit des
Hundes
Puh, harter Stoff am Morgen. Die Performance führt zur furiosen Horrorstimmung. Hass und Mordlust. Faschismus in Literatur umgesetzt. Gebellte Sprache. Rausgeschrien. Geflüsterte Drohungen. Teuflische Einflüsterer. Rot. Blutrot. Grausam.
Der Jury gefällt der Text nicht. Es fällt der Ausdruck Machtergreifungssprache.
Laura Freudenthaler eingeladen von Brigitte Schwens Harrant
Der heißeste Sommer seit Beginn der Aufzeichnungen ist mein schweigsamster. Ich sitze auf der Holzbank vor dem hinteren Tor und warte. Die Wunden an meinen Lippen heilen langsam.
Unaufgeregter Text, der sich langsam ins Herz und in die Seele gräbt. Die Welt geht unter, die Katastrophen nehmen ihren Lauf, das Feuer wird gestohlen.
Katja Schönherr eingeladen von Philipp Tingler
An Neles Geburtstagen bin ich immer sehr nervös, nervöser als sonst. Schließlich tickt nicht nur meine, sondern auch ihre Uhr schneller als die der meisten Menschen.
Meine Gedanken schweifen ab. Und wieder dazu. Eine Geschichte mit einem Mysterium. Einem banalen noch dazu. Mir gelingt die Trennung des Textes von dem einladenden Juror nicht. Nicht mehr nach diesen drei Tagen. Wenn sie bei 3sat auf Talkshow machen wollen, d. h. wegen der Einschaltquoten auf polarisierend machen wollen, dann haben sie mich verloren.
Wie befürchtet tritt der Juror sofort auf die Bühne, die ihm nicht zusteht. Zwischen den Zeilen lesen ist nicht sein.
Meral Kureyshi eingeladen von Michael Wiederstein
Als es still wird, so still, dass die Gedanken laut werden, der Mund trocken, die Zunge schwer, verlasse ich die Wohnung. Die Mondsichel leuchtet hell im Dunkel des Himmels, so wie ich sie als Kind gezeichnet habe.
Ruhiger Text. Ruhige Lesung.
Mir geht viel durch den Kopf. Vor allem zum Thema Privilegien. Das liegt eher am Setting als am Text.
Die TDDL gehen zu Ende. Ob es im nächsten Jahr sicher wäre hinzufahren, steht in den Sternen und in der Mondsichel.
Ich vermisse den Garten. Obwohl er so schwer zu erreichen war. Vielleicht ist Reisen doch Erhebender als ich es mir eingestehen will.