Journal13012019
Alle Welt räumt auf und schafft Platz.
Ich muss schmunzeln und denke, das ist eine gute Vorbereitung auf das Alter. Auf die Zeit, wenn deine Habseligkeiten in eine Nachttischschublade passen müssen.
Wenn du dann bei Marie Kondo richtig aufgepasst hast, kannst du dich kurz vor dem Sterben in eine angenehme Position falten, damit du im Sarg eine gute Figur machst.
Nach meiner Beobachtung scheint es bei diesen Ausmistaktionen bei vielen Menschen einen Yoyo-Effekt zu geben. Sonst müsste auch nicht so viel darüber geschrieben werden.
In vielen Fällen scheint Platz gemacht zu werden, damit Neues angeschafft werden kann.
Das Unbewusste schafft sich seinen Aktionsradius.
Erst einmal ist dieser Trend irgendwie an mir vorbeigeschlittert – ich musste erst mal schauen und ehrlich, ich finde es affig. Deinen Satz, mit dem sich selber für den Sarg falten, der hat mich ein bisschen lachen lassen, das mir dann im Hals stecken geblieben ist.
…übrigens miste ich seit Wochen aus – nur leider sind die Lücken zwar größer geworden, es ist aber immer noch voll!
Hihi, schon beim ersten Satz wusste ich, dass Marie Kondo kommen würde. Hihi.
Eine Strickfreundin, die sich viel, viel edle Wolle gekauft hat, jedesmal Pullovermengen (und sie ist nicht dünn, aber wirklich nicht), viel, viel mehr als sie jemals verstricken könnte, selbst wenn sie die freie Zeit hätte. Auf ravelry schreibt sie, dass sie „flash Your stash“ macht und nebenher läuft netflix mit Marie Kondo. Ich musste so lachen und habe sie gefragt, ob sie sich bei jedem Strang einzeln bedankt hat, bevor sie ihn weggetan hat. (Sie hat irgendeine Veralberung zurückgeschrieben, also weiss ich nichts.)
Oh – nun ohne Marie Kondo – gestern war ich bei einer Freundin. Habe vorher extra angefragt, ob ich kommen kann. Ich sei jederzeit willkommen, rief sie mich extra an. Und was passiert, als ich da bin? Mistet sie doch glatt den Dachboden aus, zusammen mit der Untermieterin (der ich eigentlich versprochen hatte, mich mit ihr zu unterhalten, damit sie Deutsch übt). Und ich konnte mich langweilen.
Na, so schnell gehe ich da nicht mehr hin.
Mich fasziniert Ordnung auch und ehrlich gesagt kenne ich keine erwachsene Person mit einem eigenen Haushalt, die so wenig Sachen hat wie ich. Trotzdem sind es wieder sehr viel mehr als nach meinem Umzug vor fünf Jahren. Mir geht es also wie allen anderen städtischen Menschen.
(Im Dorf ist die Lagerhaltung ja noch verbreiteter.) Deshalb fasziniert mich die Aufräumwelle sehr und Marie Kondo ist eine bemerkenswerte, sympathische Frau.
Allerdings lande ich mit meinen Beobachtungen ganz oft bei der oben im Kommentar beschriebenen: Es wirkt auf viele Menschen wie ein Yo-Yo-Effekt. Sie füllen die Lücken wieder auf.
Ich pendle immer hin und her zwischen der Erkenntnis, dass es sehr wohl Freiheit bedeutet, wenn ich mich materiell mit wenigen Dingen belaste und der Realität, dass ich egal wo ich gehe, stehe oder liege ein „Nest“ mit persönlichen Dingen um mich herum baue. ein Nest, das mir Sicherheit und Geborgenheit gibt.
Dieser Aspekt kommt mir im Moment ein bisschen zu kurz.
Bin auch hin und her gerissen zwischen Aufräumen, Ausmisten und Bewahren. Die Geschichte/n bewahren. Irgendwo las ich den Satz: „Das Chaos sei willkommen, denn die Ordnung hat versagt“. Soll von Karl Kraus sein. Der Satz fasziniert mich. Und Ordnung – jedenfalls so eine strenge Mari Kondo Form – wirkt steril. Wenn ich bei solchen Menschen zu Besuch bin, finde ich es zwar im Moment stark und beeindruckend. Doch wo und wie setze ich mich, noch dazu mit meinen Farben, in so eine gefaltete Welt?
Ach!