Journal06122020
Wie gerne würde ich hier schreiben, dass ich cool und ruhig bin. So eine kleine Pandemie und ein bisschen Kontaktbeschränkung, das macht mir doch nichts aus! Alles so schön ruhig hier. So habe ich mir jahrelang das Paradies ausgemalt.
Aber leider bin ich kein bisschen ruhig. Ich bin besorgt und werde es von Tag zu Tag mehr. Ein Flügelschlag und uns fliegt diese Katastrophenscheiße um die Ohren. So wie es den unzähligen Opfern und ihren Angehörigen schon gegangen ist. Das Leid potenziert sich. Jeden Tag kommen wir dem Abgrund näher.
Nachts wache ich mit Alpträumen auf und tagsüber kann ich es nicht fassen, dass alles noch immer im Normalmodus läuft.
Sehenden Auges tapsen wir in die vermeidbare Katastrophe.
Es ist allumfassend furchtbar.
Was wäre denn „der Abgrund“?? Ich erlebe die Corona-Pandemie nicht als etwas, das auf eine Katastrophe zustrebt, sondern als ein Geschehen, das in Wellen und Schwankungen abläuft, die wir ein Stück weit beeinflussen, aber eben nicht vollständig.
Gerne würde ich mal wieder essen gehen, würde es aber nicht tun, wenn es wieder möglich wäre und hab‘ es nicht getan, als es kurzzeitig möglich war. Auch eine Tai-Chi-Probestunde hab ich abgesagt, weil es wegen des Wetters nach innen verlegt wurde.
All diese Aktivitäten werfen die Frage auf: Ist es so toll/so wichtig, dafür eine Ansteckung zu riskieren? Ich bin mir bewusst. dass meine negative Antwort zum erheblichen Teil am vorgerückten Alter liegt. In jungen Jahren hätte ich vermutlich drauf gepfiffen und mich nach dem Motto „Lebe wild und gefährlich!“ verhalten – darauf vertrauend, dass es mich schon nicht trifft und wenn doch, dann nur „mild“.
Deshalb verstehe ich, dass sich nicht alle verhalten wie ich heute. Menschen in freiheitlich-demokratischen Staaten sind es gewohnt, individuelle Risiko-Abwägungen anstellen zu dürfen – und das führt jetzt zur Lage, wie sie gerade ist.
Als Bewohnerin eines Pflegeheims würde ich ebenfalls darauf bestehen, mein Risiko selbst bestimmen zu dürfen, anstatt kontaktlos ins Zimmer gesperrt zu werden (wie es in der 1.Welle vorgekommen ist). Es gibt so viele Gründe, sich nicht „Lockdown-gerecht“ zu verhalten – nachvollziehbare und solche, die mir irre vorkommen.
Ich wünsch dir eine gute Zeit mit mehr innerer Ruhe – und uns allen, dass das mit dem Impfen bald klappt!
[…] Journal06122020 „Sehenden Auges tapsen wir in die vermeidbare Katastrophe,“ schreibt Claudia in ihrer Sammelmappe. Wie ich das empfinde, hab‘ ich in die Kommentare geschrieben. Finde es gut und hilfreich, sich über die (auch bei mir schwankenden) Gefühle und Empfindungen auszutauschen – und das ist bei Claudia immer recht unaufgeregt möglich! Zum Blogpost […]
Der Abgrund ist das gesellschaftliche Leid, die Kranken und die Toten. Außerdem das, was sonst noch so geschieht.
Auch jetzt gibt es viele Menschen in den Altersheim und Kliniken, die genau wie im Frühjahr abgeschottet sind. Jedenfalls hier in Hessen oder in Bayern, wahrscheinlich noch in ganz vielen anderen Bundesländern.
Es ist zu schlimm, zu lange und leider trotzdem ohne Hoffnung. Das macht die Einschränkungen schwer.