Journal02082024

Packen ist nicht meine Stärke, und Aussortieren fällt mir ebenso schwer. Die Tage bis zu meinem letzten Arbeitstag zählen sich langsam herunter, und ich versuche, mein Büro Schritt für Schritt auf Null zu reduzieren. Nicht auf einmal, sondern in vielen kleinen Etappen – das fällt mir leichter. Dabei stoße ich auf Schätze und vergessene Konflikte. Ich betreibe eine archäologische Untersuchung meiner dienstlichen Zeit. So viele bearbeitete Themen, so viel Wissen, so viele Erinnerungen. Das meiste davon wird keinen Platz mehr in meinem Leben als Seniorin haben. Es braucht Zeit, die Emotionen zu verarbeiten: sie zunächst auszubreiten, um sie dann zusammenzufalten und einzulagern. Oder, klüger gesagt: sie loszulassen.

C’est la vie. Eine Zeit geht, eine andere kommt. Doch die Zeit, die geht, ist die gewichtigere. Das ist die Zeit, auf die du in der Schule und im Studium vorbereitet wirst. Davon hängt deine gesellschaftliche Stellung ab, dein Wohlbefinden, deine Lebensqualität. So viel von dem, was du bist, definierst du über dein berufliches Umfeld. Damit ist jetzt bald Schluss. Aus die Maus.

Bald stehe ich wieder ganz allein da, mit dem, was mich als Person und als ältere Frau ausmacht. Zuerst möchte ich zu mir selbst finden, denn die letzten Jahre waren wirklich nicht leicht. Der psychische Anpassungsdruck war enorm. Die berühmte Altersgelassenheit konnte ich bei mir nicht wahrnehmen. Je älter ich wurde, desto schwerer fiel es mir, mich im dienstlichen Kontext einzulassen. Mein Genervtheitslevel sank Jahr für Jahr, und es kostete mich immer mehr Anstrengung, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Doch als Personalrätin gehörte das quasi zu meinen Aufgaben. Es war Teil der Verhandlungen, Teil des Deals, Teil der Erwartungen. Wenn ich etwas für die Beschäftigten erreichen wollte, bedeutete das, ich musste mich in die Konventionen hineinfinden.

Comments (3)

ClaudiaBerlinAugust 3rd, 2024 at 08:33

Was für eine Freude muss es doch sein, dass es bald vorbei ist! Ich bin gespannt, wie das für dich werden wird!

Für mich ist es ein interessanter Aspekt im Leben der Anderen, dass so ein Berufsleben „Knall auf Fall“ zu Ende geht. Sehr häufig war dieses Berufsleben mit erheblicher Selbstverbiegung verbunden, von daher ist es sehr angemessen und eine verdiente Befreiung, nun in Rente zu gehen und NICHTS mehr tun zu müssen.

Mein Leben hab ich von Anfang an anders gelebt: Keine Jobs und keine Angestelltenverhältnisse, wenn sie mir nicht sehr sinnvoll vorkamen und auch Freude machten – mal abgesehen von ein paar Jobs in der Studizeit, immer nur Monate. Meine Einblicke ins gewöhnliche Berufsleben während dieser Zeiten (Behörden, kleine Unternehmen) waren derart abschreckend, dass ich keine Anstalten machte, da irgendwo einzuchecken (was damals leicht gewesen wäre). Ich wurde Aktivistin (Mieten, Sanierung etc.), machte Honorarjobs in eigenen Projekten, zeitweise ALHI, hatte mal eine Kneipe, Umschulung EDV, 2 Jahre Klimakampagnen bei einem „Träger“ und dann die Selbstständigkeit dank Internet.

Dem entsprechend beziehe ich eine Minirente und arbeite einfach weiter – anders kann ich es mir auch nicht vorstellen. 🙂 Ich habe die Aktivitäten allerdings reduziert, habe einen Garten und bin sehr zufrieden mit dem, wie es ist.

Ich wünsche dir alles Gute für den Wechsel in den „Ruhestand“ – ein seltsames Wort, wie ich finde! Bin gespannt, was du dann so unternehmen wirst!

ViolineAugust 3rd, 2024 at 09:05

Ja, bin ich auch gespannt, was Du im Ruhestand unternehmen wirst! Von den grünen Damen hast Du ja schon geschrieben.

AndreaAugust 4th, 2024 at 07:54

alles gute für diese phase des umbruchs, die ja schon begonnen hat – und die auch nicht beendet sein wird, wenn der tag x vorüber ist.
diese phasen sind nach meiner erfahrung oft schwierig, bieten aber oft auch chancen. – wie auch immer: ich wünsche die alles gute!
liebe grüße, andrea

Leave a comment

Your comment

Kommentarlinks könnten nofollow frei sein.