Gefühle
Es ist erstaunlich, wie wenig Menschen es einfach so stehen lassen können, wenn man ihnen Empfindungen zu einer Situation schildert. Das ist mir an den Kommentaren zu meinem Eintrag über die Freilassung von Roman Polanski aufgefallen. Der Eintag beschäftigt sich ausschließlich mit meinem Empfinden zu einem Ereignis, das ich nur durch die Medien kenne. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, habe ich betont, wie sehr ich Missbrauch und den Gesellschaftlichen Umgang damit verachte. Obwohl das für die Menschen für die ich schreibe, sowieso klar ist.
Eine Frage, die sich dabei stellt, wäre doch vielleicht: Wie komme ich zu diesem Empfinden? Oder auch: Warum ist dieses Empfinden so stark? Schließlich kenne ich wie gesagt die Umstände doch nur als Medienereignis.
Aber es scheint schwer zu sein, Empfindungen als das stehen zu lassen, was sie sind: Gefühle. Subjektive Gefühle.
Nein: Ich brauche keinen Denkanstoß um mich in das Opfer hineinzuversetzen. Selbstverständlich nicht. Dazu kenne ich Missbauchsszenarien genug. Nicht nur an der Odenwaldschule gab es Missbrauch. Wer in den 60er und 70er Jahren in einem „kinderreichen Millieu“ aufgewachsen ist, kennt viele Formen des Missbrauchs. In verschiedener Schwere und mit unterschiedlichem Gewaltpotential. Nein, einen Denkanstoß brauche ich ganz sicher nicht.
Auch die Auswirkungen auf die Lebensbiografie der Betroffenen sind mir bekannt. Und nicht zu vergessen: Die der Angehörigen.
Das verstehe ich nun nicht…
Ist ein Blog nicht eine Art der Kommunikation? Und wofür findet sich „Leave a comment“?
Selbstverständlich sind Deine Einschätzungen und Emotionen unabdingbare Basis und werden nicht in Frage gestellt, doch zugleich sind sie Denk- und Diskussionsansätze für Deine Leser!
M.E. haben wir nur unsere Gedanken zu Deinem Statement abgegeben, die keinerlei Kritik darstellen, vielleicht ein wenig zu einer Diskussion (mit Denkanstößen zum Thema und dessen Facetten) anregen oder herausfordern.
Auch ich nehme mich immer gerne neuer Perspektiven an, aber nicht ohne zu hinterfragen.
Schade, dass der/die Comment/s falsch angekommen ist, ggf. nicht erwünscht war.
Habe ich geschrieben, die Kommentare waren nicht erwünscht? Nein, das ist ein Missverständnis.
Was ich gemeint habe ist, dass die Diskussion nicht um das Thema ging, das ich mit meinem Eintrag für mich besprochen habe.
Vielleicht weil die sogenannten Fakten, das „sichere Parkett“ ist. Sicherer als die subjektiven Empfindungen.
Ach so, jetzt habe ich die Formulierung gefunden, aus denen du schließt, dass Kommentare nicht erwünscht seien.
Mit dem „Stehen lassen können“ meinte ich die Fakten.
Zitat iris: „…vielleicht ein wenig zu einer Diskussion … anregen oder herausfordern.“ 😉
Okay und danke für Deine Antwort.
Nun, zumindest sinnierst Du über das Tangieren Deiner Empfindungen. Jeder Leser assoziiert Deine Empfindungen auf seiner Ebene; bei mir mag – je nach Thema – der sachlichere Part überwiegen.
Die Diskussion ist schon in Ordnung und auch gewollt.
Ich war gerade sehr irritiert, dass man den Eintag auch anders verstehen konnte.
… ein allgemeiner Gedanke dazu. Wer Gefühle im Web preisgibt, macht sich angreifbar. Diese Erfahrung habe ich in meinem Netzleben nicht selten gemacht. Und das ist für viele von uns auch nicht neu. Ich versuche immer wieder die Balance zu finden zwischen Persönlichem und Abstraktem. Das gelingt mir nicht immer. Heute schon sehr viel leichter, weil ich mich nicht aus meiner Spur werfen lasse. Wer sich an meiner Schreibe stört, soll einfach draußen bleiben.
Blogeinträge meiner „Hier-lese-ich-gern“-Blogs zu persönlichen Empfindungen lese ich, kommentiere aber nur selten. Weil ich über Gefühlswelten anderer nicht „diskutieren“ möchte. Das empfinde ich als Übergriff und steht mir als Mitleserin nicht zu. Ich lese gern bei dir mit, weil ich mich von deinen Gedanken anregen lasse. Dann kommentiere ich auch. Gefühle, die mir vielleicht fremd sind, lasse ich auf mich wirken. Vieles bewegt sich mit der Zeit. Oft auch im stillen.
@Karin: Für ein Verstehen müssen die Begriffe Fakt, Gefühl/Emotion, Meinung und Stellungnahme klar differenziert werden. Wird z.B. „Gefühl“ wohlmgl. auch als „Meinung“ verwendet, ist dies eine gänzlich andere Basis für eine mögliche Kommunikation. Eine Meinung kann/ist emotional begründet /sein, eine Emotion ist aber noch lange keine Meinung oder Aussage.
@Karin: Wer Gefühle im Blog preis gibt, macht sich angreifbar – da stimme ich dir zu. Das liegt nicht zu letzt daran, dass die Gefühle nur in Bruchstücken, in Fragmenten preisgegeben werden. Bei mir ist das jedenfalls so. Denn im Blog muss ich nicht für und wider genau abwägen und kann ganz parteiisch einfach die Seite beleuchten, die mir im Moment wichtig erscheint.
@Iris: Darüber könnte ich lange nachdenken – und würde wahrscheinlich immer wieder mit den Gedanken abschweifen. Vielleicht kann eine Emotion auch ein Statement sein. Das wäre möglich.
Andererseits: So wichtig sind Meinungen auch wieder nicht, dass ich sie gegen eine Emotion austauschen möchte. Ich glaube nicht, dass die Begrifflichkeiten in einander verschwimmen. Dazu stehen sie zu konträr in ihrer zugehörigen Ecke.
Zu „Aber es scheint schwer zu sein, Empfindungen als das stehen zu lassen, was sie sind: Gefühle. Subjektive Gefühle.“ und „Es ist erstaunlich, wie wenig Menschen es einfach so stehen lassen können, wenn man ihnen Empfindungen zu einer Situation schildert.“ fällt mir beim Nachlesen kein Kommentar auf, der ‚es‘ (Deine Gefühle bzw. Äußerungen) nicht hätte stehen lassen oder etwa sogar sie versucht hätte umzuschubsen. Soweit ich sie lese, äußern alle Kommentatoren ebenso wie Du sehr Subjektives, wenn auch nicht nur Gefühle.
Daß dieses Subjektive sich nicht an Vorgaben zu Thema usw. hält, ist für mich eher ein Zeichen von Lebendigkeit und ein großer Vorteil frei schweifender Kommentarpfade gegenüber lähmend geschäftsordnungsliebenden Debatten.
Zum „Wer Gefühle im Blog preis gibt, macht sich angreifbar“ (etwas, das ich auch manchmal so empfinde, wenn ich mich sehr offen geäußert habe und nicht den heimlich ersehnten Zugspruch erhalte) stelle ich mir die Frage, ob ein Gefühl nicht zu teilen sofort ein Angriff auf die es Habende(n) sein muß? Meine Reaktion (alike ‚wie unverschämt, wenn jemand meine Meinung/meine Gefühle nicht anerkennt oder lobt‘) führe ich in der Regel auf meine Neigung zur Rechthaberei und den Wunsch nach Bejahung zurück und versuche dann, nach Kräften darüber zu lächeln.
Seltsamerweise leben meine Gefühle nämlich auch dann recht frohgemut, bleibt die Reichweite ihrer Bewunderer und Unterstützer auf mein Inneres beschränkt. So daß es mich im Folgenden oft dann eher irritieren würde, hörte ich aus anderem Munde ein meinen Äußerungen zu täuschend ähnliches Echo.
Es stimmt schon, die Formulierung war unglücklich gewählt – aber zum Glück für mich, hat sie trotzdem die Diskussion nicht abgewürgt. Das ist das, was mir beim Bloggen und Kommentieren gefällt.
Es lässt immer eine Möglichkeit auszuweichen oder die Richtung zu korrigieren.
Die eigenen Gefühle von innen nach außen zu bringen birgt so oft die Gefahr von Übersetzungsschwierigkeiten. So geht es mir jedenfalls.