Erster Lesungstag in Klagenfurt
Wie immer sind die Lesungen in Klagenfurt von einer besonderen Faszination für mich. Ich mag diesen viertägigen Ausstieg aus meinem Alltag jedesmal. Fast alle, die zum ersten Mal dabei sind und das Ereignis nur aus den Medien kennen, sind verblüfft, wie klein hier alles ist. So ein bedeutendes Lese-Event und alles so überschaubar. Heute war ich bei vier Lesungen im Saal, eine habe ich mir im Tagungscafé angesehen, weil es draußen nur noch Sonnenplätze gab. Im Saal ist immer eine höhere Konzentration, aber es ist doch auch etwas unbequem, so lange so eng zu sitzen. Am Fernsehen sieht eine manchmal sogar mehr, auch kann sie sich lümmeln und schwätzen. (und die Toilette nicht zu vergessen, die braucht Frau ab und zu.) Es gibt also nicht die eine ideale Lösung. Wie oft im Leben gibt es mehrere gute Möglichkeiten. Hier mit dem Vorteil, dass sie einem auch wirklich die echte Wahl möglich ist.
Der Lesetag begann mit der fulminanten und mit Spannung erwarteten Lesung von Stefanie Sargnagel. Ich mag ihren Text, finde ihn gut – aber nicht sehr gut. Das liegt vielleicht auch an mir. Vielleicht möchte ich nicht, dass sie Literatur schreibt, weil sie dann als Mensch verloren ist. Manchmal mischt sich mein Gefühl in mein Urteil ein. Für ihr Videoportrait hätte ich ihr sofort einen Preis gegeben. Aber nur ruhig Blut, sie wird einen Preis erhalten. Nur welchen, das ist noch die Frage. Ich lege mich ja sonst nicht im Vorfeld fest, aber das ist deutlich zu spüren, dass ihr einige gerne einen Preis geben möchten. Die Jury war deutlich geteilter Meinung. Was leider damit endete, dass die Diskussion sehr abgehoben war.
Dann kam Sacha Macht mit einem Text von dem ich ehrlich sagen muss, dass ich ihn nicht verstanden habe. Der mich dann aber auch nicht dazu motivierte ihn verstehen zu wollen. Er spielte in der Zukunft, aber es kamen Overheadprojektoren vor. Die Menschen hatten seltsame Namen und seltsam waren auch die Dinge, die passierten. Hildegard Keller hat ihn eingeladen und sich dabei was gedacht. Nämlich dass der Text mit Sprache eine andere Welt erschaffe. Und Herrn Steiner gefiel es auch. Er meinte, die anderen Juroren mögen vielleicht keinen Barock und können die Kunstfertigkeit nicht erkennen. Ich schließe daraus, dass ich auch keinen Barock mag.
Dann kam Marko Dinić mit seinem Kriegstext und seiner dramatischen Lesevorstellung inklusive Gesangseinlage. An den Gesang hatte ich mich noch gewöhnen können, der Text sicher gut aber nicht mein Genre. Die Jury uneinig. Einige Juroren wünschten sich einen anderen Schluss. Vielleicht sollten sich zukünftige Kandidatinnen und Kandidaten überlegen eine Schlussumfrage bei den Juroren im Vorfeld durchzuführen. Aber das ginge dann vielleicht wie beim Brexit aus. Also lassen wir das lieber.
Jetzt sind wir schon beim Nachmittag, da las Bastian Schneider seine Prosastücke vor. Das kann gefährlich werden, dachte ich mir. Mir gefällt Kurzprosa sehr, bin in dieser Hinsicht also etwas parteiisch. Aber auch hier: guter Text, aber nicht sehr gut. Jedenfalls ein Text an dem die Jury zur Hochform auflaufen konnte. Hat sie dann auch getan und alle ihre Register gezogen.
Selim Özdogan hat mir vielleicht am heutigen Tag am besten gefallen. Der Text mit dem Hasen im Kopf war gut, aber wie Frau Kegel schon so klug anmerkte, ein Text in dem die einzige Frauenfigur, die vorkommt ziemlich verkracht ist.
Ich habe mir natürlich noch viel mehr Sachen aufgeschrieben und interessante Passagen angestrichen, aber ich denke, das reicht um einen kleinen Einblick zu geben. Die Lesungen und die Diskussionen stehen ja abrufbereit auf der Internetseite des Bachmannpreis. Die könnt ihr euch anschauen und eure eigene Meinung bilden.
Liebe Claudia,
vielen Dank für deine Sicht der Dinge (wo auch Toilettengänge wichtig sind)!
Heute sah ich dich einige Male mit deiner roten Bluse und ernsten Blickes, wahrscheinlich hoch konzentriert! Hat jeder Zuschauer so ein Namensschildchen oder bist du in einer Funktion dort?
Da ich nebenbei Kaffee getrunken und mit einer lieben Person geschwätzt habe, außerdem jemand anrief – und ich immer kurz raus in den Garten bin, wöllte ich denn doch lieber nicht dort sein!
Außer am See sitzen – das wäre schon ein Traum!
Streng gucken ist eine meiner Kernkompetenzen.