Erinnerungen
Die Anne schreibt über ihre Kindheits-Filterblase und bringt mich ins Grübeln. Sie schreibt in diesem Eintrag, dass wir ja alle schon immer in unseren Filterblasen leben, sie früher nur anders hießen.
Obwohl ich eine bekennende Filterbubble-Liebhaberin bin, habe ich ganz andere Erinnerungen. Als Kind war meine Introvertiertheit weitaus stärker ausgeprägt als jetzt als Erwachsene. Mich hat diese Eigenschaft in Verbindung mit meiner extremen Schüchternheit in manch komplizierte Situation gebracht. Zu viel Träumerei, zu viel Eigensinn, zu wenig Angst vor der Autorität, wurden da hinein interpretiert.
Das galt bei meinen Eltern und vielen Lehrkräften als aufsässig und war gar nicht gut.
Ich schweife ab.
Jedenfalls könnte man denken, dass meine Filterbubble extrem klein und winzig gewesen wäre. War sie aber nicht.
Ich bin fast überall im Dorf herum gekommen. War bei den „reichen“ Kindern zu Hause, die wir bedauerten, weil sie nur ein oder im Höchstfall zwei Kinder mit nach Hause nehmen durften. Was mussten die sich wohl immer langweilen! Und dann noch die vielen Gebote und Verbote. Die waren bei uns etwas übersichtlicher und leichter zu verstehen.
Ich holte die Außenseiterin ab, die jeden Tag zu spät in die Schule (2.Klasse) kam, weil sie die Geschwister kindergartenfertig und das Baby noch wickeln musste.
Ich wurde zur einzigen türkischen Familie nach Hause eingeladen. War manchmal bei dem behinderten Mädchen, das nur unregelmäßig zur Schule kam, bei den zugezogenen, bei den traurigen, bei denen, die gar nicht in unserer Schule waren.
Bei vielen Eltern galt ich als pflegeleicht und sehr brav: die hört man ja gar nicht. Als verlässlich, mit gutem Einfluss auf „unerzogene“ Kinder. Gute Noten hatte ich, das konnte doch von Vorteil sein. Meistens bedauerten sie, dass ich nicht die wirklich „richtige“ Freundin von sowieso sei, denn die, ja die war doch wirklich schlimm und kein guter Umgang.
Damals war ich mir offensichtlich Filterbubble genug. Konnte mich perfekt in meiner Traumwelt aufhalten. Die schirmte ab und war gleichzeitig durchlässig genug, Menschen rein und wieder raus zulassen. Sie willkommen zu heißen und sie weiterziehen zu lassen. Irgendwann hat sich das verändert.
Da wurden dann die Gitter herunter gelassen. Alles musste geschützt werden.
Das Innere war zu kostbar geworden, um es zu teilen. Das Risiko verletzt zu werden war zu groß geworden.
Vielen Dank auch für den Link zu Anne Schuessler, ihr Blog gefällt mir wie deines auch!
Danke, gleichfalls!
Das ist so schön. Vielen Dank!