Er ist dahin gegangen
Ihr wisst es ja: Manche Neuigkeiten brauchen etwas länger, bis sie bei mir ankommen. Heute bin ich auf den digitalen Suizid von Christian Spannagel aufmerksam geworden. Digital Suicide ist das neue Schlagwort. Aha, dachte ich mir. Der omnipräsente Didaktik-Wissenschaftler hat persönliche Gründe um auszusteigen aus dem Web 2.0, das er bisher in all seinen Veranstaltungen und Seminaren genutzt und propagiert hat. Aha.
Ab und an habe ich früher gedacht, so unbeschwert müsste man twittern können. (und denten und und und) Den Beruf nach außen bringen, sich öffnen und Kontaktstellen anbieten. Aber andererseits bleibt dann eben auch nur der Beruf. Wie auch immer: Ich dachte Christian Spannagel macht das super. Aber wie er das alles so getrennt hält war mir ein Rätsel. Männer, dachte ich mir. Die können das: ohne Probleme in getrennten Welten leben.
(Mann möge mir verzeihen. Manchmal glaube ich wirklich, dass es die beiden entfernten Planeten für gibt.)
Aber wahrscheinlich sind die Planeten doch nicht so weit entfernt. Im Moment glaube ich zu verstehen, was passiert ist. Vor allem wenn ich diesen Artikel jetzt lese.
Den letzten Link habe ich gelesen.
Ja, was Christian Spannagel da beschreibt, ist das schneller, höher, weiter im Netz. Eine Denke, die möglicherweise Männer ganz stark betrifft. Ich habe es nicht untersucht, aber es fällt mir auf. Dann fällt ihnen die Unlebbarkeit und Unsinnigkeit des Ganzen auf, sie bekommen die grosse Krise, schliessen ihr Blog, um dann irgendwann gereift wieder aufzutauchen. (Manche reifen auch nicht.)
Das sind Männer im Netz.
Oh, ich weiß nicht, ob das Geschlecht dabei so eine große Rolle spielt. Nur mein Unverständnis, das hatte ich damit in Verbindung gebracht. An der Reaktion von Christian Spannagel erkenne ich eher: So weit liegt der Männerplanet gar nicht vom Frauen-Planet entfernt.
Hallo Claudia,
Nach einer Weile des gedanklichen einsickern lassens einige Anmerkungen von mir.
– die original Aussage des urspünglichen Verfassers bezüglich der mathematischen Abbildung von Qualität und Quantität ist aus meiner Sicht so nicht haltbar. Ein Rechteck mit der Abszisse Qualität und der Ordinate Quantität beschreibt in keiner Weise deren Korrelation. Ich habe da in meinem Job durchaus schon mehrfach die Erfahrung gemacht das sich Qualität bei konstanter Quantität merklich steigern lässt. Weil Qualität immer mehrere Dimensionen, Driver hat. Einen Linearen Zusammenhang gibt es da nicht! Es wäre für das QM sehr einfach wenn es den gäbe aber die Realität sieht in Wirklichkeit ganz anders aus – leider.
Ich bezweifle einfach mal das ich für ‚die Männer‘ sprechen kann – ich spreche einfach mal für mich als Mann.
– ich differenziere nicht zwischen hier (Web 2.0) und dort (RL). Und ich differenziere nicht aus der eigenen Erfahrung heraus das es wenig Sinn macht und wenn man es versucht hier anders, auch wenn es nur um Kleinigkeiten gehen sollte, zu sein als im realen Leben man sich sehr schnell mit einem Bumerang konfrontiert sieht der zielstrebig den Weg mitten in das eigene Gesicht sucht – UND – findet!
Wer also den Weg gehen möchte die virtuelle Welt von der Realen Welt vollständig kapseln zu wollen ist aus meiner Sicht schlecht beraten oder hat auch in der realen Welt eine gespaltene Persönlichkeit. Sei wie du bist, sei ehrlich und pisse niemanden ans Bein 🙂 Regeln die hüben wie drüben gelten (sollten).
Wenn man mit der, zumeist oberflächlichen und wellenartigen, Bewegung im Netz ein Problem für sich selber identifiziert hat, oder zumindest eine Herausforderung weil man die Wertigkeit der eigenen Aussage davon schwimmen sieht, direkt Selbstmord zu begehen – weil Suizid, digital oder real, ist und bleibt Selbstmord – halte ich schlicht und ergreifend für dumm. Genau so dumm wie ich jeden RL-Selbstmörder halte.
Das mag jetzt plakative klingen – soll es auch sein!
Jeder ist für das was er tut verantwortlich.
Etwas hier im Web2.0 zu tun ruft sehr schnell ein Echo hervor. Wenn ich damit nicht einverstanden bin kann ich entweder leiser treten oder mich des Echos annehmen und es kreative nutzen.
Aber weil es ein Echo gibt zu sagen ich rufe nicht mehr in den Wald?! Schade!
Ja das Netz ist schnelllebig.
Ja die Mehrheit ist oberflächlich.
und dennoch
Ja das Netz wird wahrscheinlich einen Einfluss auf die Wahl des kommenden Bundespräsidenten gehabt haben.
Und Und Und ….
Und wenn dann einer der kreativen Köpfe den Köhler raus hängen lässt und sich eingeschnappt zurück zieht, dann – ja dann finde ich das schade und hätte insgeheim mehr erwartet.
Grüße aus dem Revier, aus RUHR.2010
Markus
Glaube auch nicht, daß das ein Gender-Problem ist, kann aber jedenfalls mittlerweile sagen, daß ich es nicht bereut habe, meinen Facebook-Account vor zwei Wochen geschlossen zu haben. Twitter und Identi.ca liegen derweil auf Eis. Entscheidung folgt. Die Idee, auf allen verfügbaren Plattformen senden und empfangen zu müssen, erscheint mir mittlerweile etwas merkwürdig.
Mir fiel nicht das „Alles-ausprobieren-Müssen“ auf. Sondern die Content-Masse. Quantität statt Qualität.
Scheint mir bei Frauen nicht so häufig das Problem zu sein.
@Violine: Ich bin mir nicht ganz sicher. Spontan hätte ich dir zugestimmt. Aber dann fielen mir ein paar Quasselstrippen beider Geschlechter ein.
@Jürgen: Wenn du es für dich merkwürdig findest, dann ist es gut, wenn du dich raus nimmst. Ich passe mich den Kommunikationsströmen an, die die Menschen verwenden, mit denen ich gerne kommunizieren möchte. Die Plattform ist nur das Mittel, die Kommunikation ist der Zweck. Reines Senden und Empfangen wäre ja leblos oder seelenlos. Das liegt mir fern.
@Riebiesel: Sorry, ich habe deinen Kommentar in der Warteschleife eben erst gesehen. Ich kann einiges davon nachvollziehen – und möchte nur an einer Stelle widersprechen.
Ich bezeichne einen Suicid als Selbsttötung und nicht als einen Mord – und ich käme nie auf den Gedanken eine Selbsttötung mit Dummheit gleich zusetzen. Darüber lässt sich sowieso wenig sagen, denn was bedeutet Dummheit überhaupt? Auch darüber könnte man ewig streiten.
Aber es stimmt schon: Das laute Gedöns, das diese persönlichen Entscheidungen begleitet, zeigt mir, dass da Menschen mit ihrer Lebenseinstellung nicht klar kommen. Zuerst wird laut propagiert, dann laut die entgegengesetzte Richtung vorgegeben. Ein bisschen innerliche Ruhe wäre da sicher hilfreich. Auch für die Qualität.
Du bist ausführlicher im Netz unterwegs als ich, kannst das deswegen besser beurteilen. Ich habe in der Regel die immer gleichen Seiten, die ich ansurfe. Manchmal mache ich Abstecher, aber nicht so ausführlich wie Du.
@Claudia: „Reines Senden und Empfangen wäre ja leblos oder seelenlos“. Freilich. Aber einen Einwand hätte ich schon: Man muß ja nicht allen, denen man gerne folgen möchte, überallhin folgen. Bei der Auswahl des Mediums, über das ich kommuniziere, möchte ich schon gerne noch ein Wort mitreden können, und ich habe bemerkt, daß ich mich in den sogenannten sozialen Netzwerken nicht wohl fühle. Ich halte einerseits viel von Offenheit, andererseits viel von Vertrautlichkeit. Für ersteres gibt es das Usenet, die Mailinglisten, Webforen oder Blogs. Auch Microblogging gehört dazu. Für letzteres gibt es E-Mail oder den privaten Chat, weil man beides verschlüsseln kann. Bei Plattformen wie Facebook ist der Informationsfluß aber in der Regel so komplex, daß er für den einzelnen nicht mehr zu überblicken ist. Und das gefiel mir nicht. Außerdem meine ich, daß Beschränkung auf das Wesentliche gefordert ist, es sei denn, man möchte prokrastinieren … 😉 Wer mich erreichen möchte, wird es schaffen, glaube mir. Und umgekehrt gilt dasselbe, auch ohne Facebook.
[…] verließe. Ich lege aber großen Wert darauf, die Plattform, über die ich mit jemand kommuniziere, selbst zu wählen. Ich folge niemand blind irgendwohin, nur weil er oder sie dort agiert, wenn ich mich ebenda nicht […]
@Jürgen: Du brauchst doch gar keinen Einwand zu haben. Ich schrieb ja: Wenn Du es merkwürdig findest, dann ist es gut, wenn Du Dich raus nimmst. Das ist doch selbstverständlich.
Mir sind die Kommunikationsströme wichtig und solange ich deswegen kein Unbehagen spüre folge ich ihnen. Auch das ist selbstverständlich und gilt im Netz genauso wie im RL. Auch da gehe ich nicht überall mit, aber manchmal treffe ich mich dort mit Menschen, wo es am praktischsten ist.
Für mich sind das Selbstverständlichkeiten, die eigentlich gar nicht weiter ausgeführt werden müssen.
Hallo zusammen,
vielleicht noch eine Klärung: Den Begriff „digital suicide“ habe ich nicht eingebracht, sondern er wurde von anderen ins Feld geführt. Ich habe auch nicht die Nutzung von Web 2.0 aufgegeben, und ich halte auch nichts von der Trennung des virtuellen von der realen Sphäre.
Was ich gemacht habe: Ich habe die permanente Vernetzung aufgegeben, weil Netzwerke wie Twitter und Facebook einfach zu viele Ressourcen verlangen, wenn man dort stark vernetzt ist. Ich konzentriere mich jetzt mehr auf mein Weblog und meine Wiki-Umgebungen.
@Riebiesel Das mathematische Modell ist stark vereinfachend. Es ging mir nur darum zu veranschaulichen, dass man bei Steigerung der Quantität die Qualität nicht halten kann. Es ist nur ein Modell – ein einfaches, zugegebenermaßen.
Viele Grüße,
Christian
@Christian: Danke für die Rückmeldung. Für mich setzt sich das Bild nach und nach zusammen. Beruhigend finde ich, dass du bestätigst, dass virtuelle und reale Sphäre zusammenwachsen.
Wir ändern uns und passen uns den Anforderungen an. Das gilt für alle unsere sozialen Vernetzungen.
R.I.P. Christian Spannagel