Die Stimme von Herta Müller
Die Stimme von Herta Müller kratzt mir heftigst auf dem Gemüt, twitterte ich diese Woche als das Kulturzeit-Interview von der Buchmesse mit ihr lief. Die Chronistin schrieb, dass es ihr ähnlich mit der Stimme ginge, dass sie aber ein schlechtes Gewissen hatte, als sie das dachte und auch Cytotoxin, erging es ähnlich wie mir.
Irgendwann habe ich dann einfach weggehört. Obwohl Herta Müller wirklich viel zu sagen hat und alles was sie sagt tiefsinnig und gut überlegt ist, diese Stimme treibt mich weg von ihr. Weg von ihren Gedanken, weg von ihrem Wissen. Aber wie die Chronistin schon sagt: es bleibt ein schlechtes Gewissen dabei. Zurecht. Denn die Stimme kann der Mensch nur sehr wenig beeinflussen und gerade Frauenstimmen haben es in unserer Gesellschaft schwer. Wenn Herta Müller meine Freundin wäre, dann hätte ich mich längst an ihre Stimme gewöhnt. Dann wäre das Hertas Stimme für mich. Hertas Stimme so kantig und rau wie Schmirgelpapier, aber die Stimme, die ich mit ihrer Persönlichkeit, ihren Leidenschaften, ihren Lebenszielen verbinde. Wenn Herta Müller meine Freundin wäre, dann wäre das Raue der Stimme die Nähe und ich würde aufhören, wenn ich im Radio oder im Fernsehen oder am Kiosk an der Ecke jemand mit einer ähnlichen Stimme sprechen hörte. Dann würde ich auf sehen und neugierig kucken, wer da wohl spricht mit Hertas Stimme.
Aber da Herta Müller nicht meine Freundin ist, auch nicht meine Nachbarin oder meine Kollegin, bin ich mit ihrer Stimme nicht vertraut. Sie zehrt an mir, das ist schade, aber ich möchte sie trotzdem gerne besser kennen lernen. Das was sie sagt, ist es tausendmal wert.