Die fliegende Nähmaschine
„Nähen ist eine Form des Geschichtenerzählens mit Fäden.“ – Clarissa Pinkola Estés
Aus Camagüey in Kuba brachte ich im letzten Jahr zwei Bilder mit, die ich besonders liebe. Beide von der kubanischen Malerin Martha Jiménez. Ich zeige euch zunächst einen Ausschnitt aus dem ersten Bild. Das Originalbild enthält noch etwas mehr von dem Hintergrund, der einem Himmel ähnelt, dadurch wird die Illusion des Fliegen deutlicher.
Martha Jiménez verbindet in diesem Werk die alltägliche Tätigkeit des Nähens mit einer surrealen, fast magischen Dynamik. Die Frau, selbstbewusst und sinnlich dargestellt, sitzt auf der Nähmaschine, die zum ungewöhnlichen Fahrzeug wird. Die wehenden Haare und das farbenfrohe Kleid unterstreichen die Lebendigkeit, während die Maschine – mit ihren geschwungenen Linien und klaren Farben – an die Bedeutung von Handwerkskunst erinnert. Doch das Bild birgt auch eine tiefere Ebene: Nähen ist nicht nur ein kreativer Akt, sondern auch Teil der sogenannten Care-Arbeiten, die oft von Frauen geleistet werden. Diese Tätigkeiten, wie das Reparieren von Kleidung oder das Nähen für die Familie, bleiben häufig unsichtbar und werden als selbstverständlich angesehen, obwohl sie grundlegende Stützen des Alltags sind.
Für mich hat das Bild des Nähens im Bild noch eine andere Bewandtnis:
Etwas für sich selbst schneidern, das mir selbst passt, sitzt und gefällt. Nicht auf die Mode von der Stange angewiesen zu sein, die oft den Proportionen von Frauen nicht entspricht.
Sich selbst etwas schneidern zu können, ist eine Art Befreiung, Selbstermächtigung.
Das ist ein ganz wichtiger Aspekt. Überhaupt gibt es noch viele Perspektiven, die über die Nähmaschine sichtbar werden. Es ist schön, sie als Symbol in einem Kunstwerk einzusetzen. So vielschichtig!