Der Mörder
Jetzt ist es also raus, wer der Mörder war. Der fiese, kranke Bösewicht war Ulrik Strange. Wie ich schon vorher geschrieben habe: Es ist die Variante, die mir an meisten wehtut. Und überhaupt: dieser Showdown mit der schußsicheren Weste. Das war eher so ein kleiner Taschenspielertrick.
Trotzdem: Die Serie ist sehr liebevoll im Detail gemacht. Die Figuren sind stimmig und reißen mit.
Es waren schöne Fernsehstunden. Die gibt es nicht so häufig. Auch wenn es etwas ungewohnt ist, dass die Auflösung eines Krimis erst noch ausführlich nachträglich erläutert werden muss.
Ich habe mir diese 4 Folgen angeschaut. Und ziemlich geschwankt. Am Ende fand ich die Auflösung fade und in der Durchführung dem deus-ex-machina-Prinzip nahe. Ich würde nie mit einem Menschen, den ich eines Mordes verdächtige, auf einen Friedhof gehen, auch nicht in einer schußsicheren Weste.
Aber der Dicke hat mir gefallen (der Justizminister), weil er mir als gelungene Darstellung von Dämlichkeit, Käuflichkeit, Eitelkeit, Ehrbarkeit und Nachgiebigkeit vorkam. Vielleicht war er ja des Autors Lieblingskind. Die Frau Lund fand ich dagegen nicht gut. Solchen Figuren klebt für mich zu viel Literarisches an an den unglaubwürdigen Reaktionen (wer ist schon so stählern nur auf ein Ziel ausgerichtet?)
Immerhin hat diese Serie Aspekte, die aus den üblichen Schemata (Verbrechen begehen Verrückte oder ausländische Mafiatypen oder schwache Charaketer) heraus zu brechen versuchen. Leider ohne das anders als nur formal zu schaffen. Oder, um meine Kritik mit Herrn Chandler zu formulieren, wäre es lohnenswert, das Verbrechen denen zurück zu geben, die Gründe haben, Verbrechen zu begehen. Hier hatte aber niemand Gründe. Nur das Motiv der Rollenkonformität (Politiker sind korupt und manipulierbar, Soldaten an der Ehre zu packen, Mörder schlau verstellt und Mütter operwillig).
Siehst du: So weit kann man in seiner Einschätzung auseinanderliegen. Für mich ist die Figur der Sarah Lund sehr glaubwürdig angelegt. Diese introvertierte Art, die Konzentration auf das, was sie gut kann; das Ermitteln, das sie aber in ihrem privaten Leben immer mehr in Schwierigkeiten bringt.
Beim Showdown gebe ich dir natürlich recht. Der war etwas überzogen. Es sei dem Filmteam verziehen.
Das Verbrechen sehe ich in diesem Fall vielfältiger. Nicht nur die Morde waren das Verbrechen um das es ging. Es ging um Vertrauensverlust, Korruption, Macht und Ohnmacht. Um Fäden ziehen, um Freundschaft. Um Krankheit und Trauer. Überall gab es Motive, die die Aufklärung des Verbrechens verzögerten und dadurch neue Morde möglich machten.
Klar: die zweite Staffel konnte nie die intime Atmosphäre der ersten Staffel erreichen. Aber die Qualität ist auch nicht so weggeknickt, wie es hätte passieren können.
Ich bleibe dabei: Für mich war es das Fernseherlebnis des Jahres 2010. Jederzeit würde ich mir die Wiederholung ansehen. Wenn es möglich wäre, schon ab heute.
Ich kenne jemand, der die 4 Folgen auf DVD gebrannt hat. Wenn Du möchtest, lasse ich eine Kopie machen und schicke sie Dir. Gib mir einfach eine Adresse per Mail.
Leider sehe ich es wirklich sehr anders als Du. Den meisten Gestalten der Serie fehlten die glaubwürdigen Motive, die die Gestalten der ersten Staffel allesamt hatten. Und zur letzten Folge hin gab es einen deutlichen Bruch. Auf einmal ging alles schnell und glatt, was vorher immer wieder in Ellipsen kreiste. Gerade in der plötzlichem Übereinstimmung der Politiker-Bande am Ende fand ich das sehr eklatant.
Und die zarte Zuneigung der Frau Lund zum Herrn Strange (das einzige wirklich genuin Private und faszt Erotische in der ganzen Serie) kam auch viel zu kurz, was mich sehr ärgerte. Es hätte doch die Basis eines wunderschönen Showdowns abgegeben, statt dieses albernen Geballeres auf der Gedenkstätte.