Das Boot ist leck
Ich weiß nicht, wie es Euch geht: Die Überwachung lastet schwer auf meinem Gemüt. Wie der Vogel Strauß möchte ich manchmal meinen Kopf in den Sand stecken bzw. meine Augen schließen; mich offline davon machen, um mich von ihrem Gewicht zu befreien.
Wo soll das hinführen? Eine Antwort kenne ich nicht darauf, nur eine Farbe, die die Zukunft färbt: schwarz.
Wie kann ich mich schützen?
Ein, zwei, vielleicht auch drei Antworten fallen mir dazu ein – und spätestens an dieser Stelle überfällt mich die Resignation. Ich schaffe es einfach nicht, mich richtig zu schützen. Was für ein Glück, dass ich nicht im Fokus von irgendwelchen geheimen, gemeinen Diensten stehe! Hilflos wäre ich ihnen ausgeliefert, flüstert mir ein resigniertes inneres Stimmchen zu.
So eine Übermacht. So ein Aufrüsten gegen die Bevölkerung! Aber warum dann diese relative Ruhe überall?
Staatlich organisierte Massenüberwachung und Demokratie schließen sich gegenseitig aus. Dennoch gibt es keinen Aufstand, keine Aufruhr – höchstens ein paar leise Betroffenheitsbekenntnisse.
Vielleicht glauben wir alle zu viel an die Zauberkraft der Demokratie. Doch Demokratie gestaltet sich nicht von selbst. Sie besitzt keine Selbstheilungskräfte. Sie bedarf bestimmter Rahmenbedingungen und Voraussetzungen, sonst funktioniert sie nicht.
Macht muss immer kontrolliert werden, damit sie verantwortlich bleibt. Das ist ein Grundsatz, denn unkontrollierte Macht endet in Unterdrückung und Diktatur. In Unfreiheit also.
Durch Massenüberwachung wird ein Machtpotential geschaffen, das unermesslich ist.
Wenn einer alles über mich weiß und dann noch die Möglichkeit besitzt die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu gestalten, bin ich ihm mit Haut und Haaren ausgeliefert. Mir bleibt kein Raum mehr und keine Luft zum Atmen, weil er mir alles nehmen kann.
Der zivile Tod ist nur eine denkbare Abartigkeit, die jetzt schon möglich ist.
Aber wie kann ich bestehen in diesem Sumpf?
Im Artikel Warum Johnny Haeusler über manche Dinge nicht mehr online spricht – erläutert Johnny Haeusler aus seiner Sicht, was die Überwachung mit ihm macht.
Mit mir macht sie auch etwas. Wenn das resignierte Stimmchen in meinem Innern gerade Pause macht, versuche ich kreativer zu sein. Bewusster zu kommunizieren, bewusster zu leben aus der Sicht meines überwachten Daseins. Welche Freiräume habe ich noch? Wie kann ich sie mir erhalten? Wie kann ich sie ausgestalten? Ich gebe mir da sehr persönliche Antworten auf diese Fragen. Manchmal macht es sogar Spaß, sich in konspirativen Ideen zu versuchen.
Vielleicht war ich in den vergangenen Jahren zu blauäugig. Zu sehr im grundsätzlichen Vertrauen auf die Demokratie verhaftet. Auf das Funktionieren der Demokratie. Langsam begreife ich: sie funktioniert nicht mehr. Klar, es gibt schlimmere Staaten mit größeren Repressalien für Minderheiten. Aber in unsere Demokratie ist ein Leck geschlagen. Vor kurzem noch haben wir mit Blechdosen, das Wasser aus unserem Boot schöpfen können, aber jetzt hat das Leck verheerende Ausmaße angenommen. Eine Weile werden wir noch in unserem Boot schippern können, aber wenn wir es nicht wirklich grundlegend reparieren, werden wir untergehen.
Vielleicht sind wir noch auf Kurs, aber wir fahren ins Verderben.
Ich kann es fast nicht glauben, dass du mit derlei fast hoffnungslosen Gedanken -jedenfalls kommt es für mich so rüber- angefüllt überhaupt noch Luft geschweige denn Lust zum Leben hast. Vielleicht bin ich an dem Punkt hoffnungslos naiv…; aber ich lasse mir mein Leben weder von Überwachung, dieser Demokratie noch von Krankheit kaputt machen! Klar: alle 3 (und noch viele mehr) haben mein Boot leck geschlagen in einer Weise, dass es nicht mehr kittbar ist. Das habe ich mir auch klar gemacht. Deswegen bin ich umgestiegen auf „Wachsamkeit“, „Beziehungen“ und „Rollstuhl“ und bin damit mitten in der Welt -zwar nach wie vor überwacht, überstimmt und mit Schmerzen; aber nicht mehr zu Wasser. Den Weg, auf dem ich gehe, habe ich trocken gelegt. Dieser Weg ist einfach immer da, wo ich bin, und dort erhebt niemand Mautgebühren!
Die Hoffnungslosigkeit bezieht sich im Moment ausschließlich auf das System Demokratie. Mir fällt es schwer mich von ihr zu verabschieden bzw. mein Leben realistisch darauf auszurichten, dass ich eben nicht mehr in einer Demokratie lebe, mich demnach auch nicht mehr so verhalten kann, als würde ich es tun.
Alles andere: siehe Eintrag zuvor.
Dazu kann ich nur sagen: Ach und ach und dass ich die Veränderungen streng bemerke, mich selbst zensiere, wem ich was wann wie sage – jedenfalls entwickle ich eine neue Kunst des Briefe schreibens. Nix von Bedeutung online mitteilen. Gespräche im Wald. Das große Bedauern…
[…] Überwachung zu schützen, kommt aber zum resignierenden Schluss, unser demokratisches Boot sei leck geschlagen und auf direktem Kurs ins […]