Das Märchen
Das Märchen von der verbrecherischen, gewalttâtigen und machtgeilen Menschheit kaufe ich niemandem ab. Schon gar nicht mit dem Zusatz, dass die Menschen nicht anders können und dass die Steinzeit – oder gar das Tierreich – das beweist.
Je älter ich werde, desto mehr glaube ich daran, dass dieses Märchen mühevoll genährt und gefüttert werden muss, damit einige wenige mit einem Gendefekt ausgestattete Menschen ihren individuellen Hang zur Macht und Gewalt ausüben können.
So ein Blödsinn! Wenn den Menschen etwas in den Genen liegt, dann das Wissen daran, dass ohne die Gruppe niemand überlebt. Ohne die Kinder, fehlt die Zukunft, ohne die Alten die Erinnerung in Krisenzeiten, ohne die vermeintlich Schwachen, fehlt die Konzentration auf das Wesentliche. Ohne die Träumerinnen fehlen die Visionen, ohne die Pedanten, die Nachdrücklichkeit.
Wenn die Menschheit etwas auszeichnet, dann ihr Hang zum gemeinsamen Leben.
Alles andere ist ein Defekt, der sich gut verkaufen lässt.
Zur Zeit führe ich mir immer wieder vor Augen, was für liebe Menschen ich kenne. Die ich kenne und schätzen und die mich kennen und schätzen. So eine Bereicherung.
Alleine leben – nein, danke! Da hat man wirklich einen Gendefekt.
Endlich mal wieder ein wahres Märchen.