Wenn Alter zum Unwort wird
Zunehmend bin ich irritiert über die ständige Erwähnung der „alten, weißen Männer“. Oft fehlt das weiß, aber der abfällige Ton fällt mir immer auf. Ein Klischee, denke ich und widme mich anderen Dingen.
In der Arbeit irritiert es mich, wenn Menschen um die 30 mir vorbeten, wie jung sie sind. Jung?, denke ich und rechne nach wie alt sie sind. Nein, nicht verrechnet. Dreißig. Warum wiederholen sie das ständig? Merken sie nicht, dass das unhöflich ist. (ja, ja, ich hab langsam gemerkt: sie merken das nicht. Sie betonen ihre Einzigartigkeit.)
Die dritte Irritation, die in diese Reihe gehört: die Menschen, die unbedingt so jung sein wollen, wie sie sich fühlen. Forever young – ist damit wahrscheinlich gemeint und die meisten, die das von sich sagen, halten das nicht für ein Märchen.
Heute jetzt dieser populistische Artikel über die Babyboomer. Da werden großzügig ein paar Generationen zusammengefasst und die Geschlechtsgrenzen verwischen. Ein Feindbild, das sich zu schüren lohnt, scheint mir.
Meine Güte, wir leben in einem Kapitalismus erster Sahne und die Machtverhältnisse sind klarer denn je – geschichtlich wohl nur übertroffen von der Zeit zu Beginn der Industrialisierung. Braucht es da noch das Feindbild Alter?
Sie sind reich, sie sind mächtig – unglaublich, wie diese populistische Thematisierung wirkt.
Alles ist recht, wenn die Menschen nur auf dem kapitalistischen Auge blind bleiben. Da wirken Feindbilder Wunder.
Wenn denn wenigstens von den „weisen Alten“ zu sprechen wäre, oder von den „weiß(haarig)en Alten“ …
Nicht nur das Alter, heutzutage ist doch alles Feind, was auch nur ein wenig anders ist, als es die Politik haben will.
Von mir aus braucht die Alten niemand weise zu machen, genauso wenig wie die Jungen schön.
Es ist einfach wie es ist – da müssen keine unnötigen Adjektive oder Hervorhebungen dazu. Wir alle haben uns die Gesellschaftskonstellation nicht ausgesucht in der wir jetzt leben und gegen die Altersstruktur können wir nichts machen. Aber für die politischen Machtverhältnisse in denen wir leben sind wir ein kleines bisschen mitverantwortlich.
Ich bin u.a. auch Ökonom, ein Freund und Verfechter der freien Marktwirtschaft. Kapitalismus ist für mich kein negativ besetztes Wort, aber wenn ich mir die Welt heutzutage ansehe, dann denke ich immer öfter, vielleicht sollten wir dem Sozialismus doch noch eine Chance geben. Es darf nicht sein, dass eine Handvoll Konzerne diese Welt nach Gutsherrenart beherrschen. Freie Marktwirtschaft bedeutet nicht, dass einige wenige Marktteilnehmer den Rest nach Belieben ausplündern dürfen. Leider sind die Konzerne mittlerweile so groß und mächtig, dass eine Nation allein nichts mehr gegen diese unternehmen kann. Selbst die USA könnten die Multis nicht mehr zerschlagen, allerdings wollen die das auch nicht. Und ohne die USA ist das Unterfangen zum Scheitern verurteilt. Alles was wir tun können ist auf den nächsten globalen Wirtschaftszusammenbruch zu warten oder eine weltweite Revolution zu starten. Wobei ersteres sicherlich eher eintritt.
p.s.
Politische Wahlen sind übrigens auch keine Lösung. Die Politik wird komplett von den Konzernen beherrscht. Interessierte sollten z.B. nach European Round Table „googlen“.
Öhm. Jetzt hab ich paar Tage gezögert, aber jetzt geb ichs einfach mal zu:
Ich fand den Babyboomer-Artikel toll. Ich hab mich derart verstanden gefühlt.
In meinem Arbeitsbereich Kirche bin ich mit 37 immer und überall eine Art Küken – und über die Zukunft meiner Institution entscheiden letztlich nur Leute Mitte oder Ende 50, die demnächst in Ruhestand gehen, während ich sicher bis 70 arbeiten werde.
Von den Gemeindegliedern ganz zu schweigen, die glauben, jugendgemäß und zukunftsweisend sei das, was sie in ihrer Jugend in den 50er und 60er Jahren erlebt haben.
Es ist tatsächlich oft ziemlich mühsam – und ich war sehr dankbar für diesen Artikel.
So, jetzt ists raus 🙂