Leben füllen

Sven ist unzufrieden mit seinem Leben und klagt darüber in seinem Blog. Wenn bei mir ein ähnlicher Eintrag in der Sammelmappe steht, kann ich drauf wetten – mache ich nie, weil ich den Zusammenhang immer erst im nach hinein sehe – dass ich zwei Tage später meine Periode bekomme. PMS nennt sich diese wirklich bedauerliche Erscheinung.
Daran kann Sven nicht leiden, er leidet an der Leere seines Lebens und überlegt wie er es füllen kann.
Wie füllt der Mensch sein Leben? Ich versuche mich zu konzentrieren und die Frage für mich selbst zu beantworten. Wie fülle ich mein Leben? Durch die Bewusstheit, dass es jetzt stattfindet. Nicht gestern, nicht morgen sondern jetzt, hier und heute. Leben füllt sich nur selten durch große Taten und dramatische Aktionen. Es füllt sich durch Lebenszeit. Jeder Tag, jede Stunde, jede Minute Lebenszeit füllt mein Leben. Jetzt könnte durchaus die Frage kommen: Ja, aber besteht nicht genau darin die Schwierigkeit? Der Alltag erfordert von uns, dass wir uns nach seinen Bedürfnissen richten, er stellt Ansprüche an uns, gibt den Takt vor. Da kann es vorkommen, dass man die eigene Melodie nicht mehr erkennt und nur noch auf die, die von außen her dröhnt, hört. Wenn man lange nicht mehr den eigenen Rhythmus spürt, fühlt man sich wahrscheinlich leer.
Dann ist es richtig zu sagen: Stop, bis hierher und nicht weiter.
Dann ist es Zeit, die Blümchen zu pflücken, die am Wegesrand stehen und sich die eigene Lebensgeschichte fort zuschreiben.

Comments (14)

SusanneMärz 28th, 2010 at 00:25

Für mich füllt sich Leben immer nur nachher, im Nachhinein und aus dem zweiten Rang angeschaut. Weil ich es nur später liebe, es vollzupacken.

Aktuell fühle ich nur selten ein Füllen. In Momenten des Glücks (‚verweile doch, du bist so schön‘) ahne ich das, aber mehr wie ein fernes Pulsieren in einer Ader gleich nebenan.

Tritt Verstand in die Schranken („Dann ist es richtig zu sagen: Stop, bis hierher und nicht weiter.„) ist das schon wieder vorbei. Der will den Hof auskehren, nicht darin der Sonne beim Untergehen zuschauen und die Kinder ermahnen.

Andere füllen Leben sehr anders. Das ist schön.

Ich frage mich, ob wir mit unserer je eigenen Ladung einmal werden bürgen müssen (wenn wir vor-geladen sind). Aber das ist kein angenehmer Gedanke, weil er Konzepte wie Sünde spürbar macht. Und das wolllen wir vielleicht nicht so gerne, es wirkt seltsam altfränkisch, wenn einmal aufgeschrieben.

Tröstlich, daß viel eher ein Kamel durch ein Nadelöhr geht als…

DDMärz 28th, 2010 at 00:41

Ich kann Sven verstehen. Er scheint nicht einmal zu wissen wonach er sucht. Bevor er aber einfach irgendwohin aufbricht, sollte er sich darüber klar werden was er sucht, sonst stellt er vielleicht fest, dass er sonst auch nur Unzufriedenheit findet.

ViolineMärz 28th, 2010 at 07:31

Für mich füllt sich das Leben mit vielen kleinen Dingen, v.a. mit Menschen und der Interaktion mit ihnen.
Da ist keine Lehre.

ViolineMärz 28th, 2010 at 08:23

Sorry, Leere.

ClaudiaMärz 28th, 2010 at 08:35

@SuMuze: Über das Bürgen mache ich mich wenig Gedanken. Jedenfalls nicht über das in weiter Ferne. Dazu bin ich viel zu sehr Moralaposteline und will jetzt schon so viel richtig machen.

@Violine: Die kleinen Dinge sind sicher sehr wichtig, aber ich kann auch verstehen, wenn Menschen sich in den vielen kleinen Dingen verlieren und dann traurig werden. Offensichtlich gehört so etwas wie ein Lebenskonzept oder eine Lebenschoreografie auch dazu, um mit sich und seinem Leben in Einklang zu sein.

@DD: Da ist er wieder: Der Ratschlag, der auch ein Schlag ist. Sollen, müssen. Wir sind schnell dabei, anderen Menschen Ratschläge zu geben. Jeder weiß etwas über das Leben und kann etwas darüber sagen, aber leben muss jeder sein eigenes Leben.

JürgenMärz 28th, 2010 at 11:43

Leben „füllt“ sich doch eigentlich nur durch ein „Du“, nicht wahr?

ViolineMärz 28th, 2010 at 13:25

Bei mir kommt es wohl daher, dass so viel Sturm in meinem Leben war. Da waren Herausforderungen genug. Und ich weiss auch, dass immer wieder Herausforderungen kommen werden. So schätze ich den Frieden mit seinen kleinen Dingen.

Andere haben andere Bedürfnisse.

SammelmappeMärz 28th, 2010 at 15:40

@Jürgen: Meinst du eine Partnerschaft? Das ist sicher richtig, wenn es eine gute Partnerschaft ist. Dann ergeben sich manche Dinge wie von selbst. Wenn es eine anstrengende, unstimmige Partnerschaft ist, dann schließe ich mich dem Schnulzensänger an, der früher sang: Lieber allein als gemeinsam einsam / voll Zufriedenheit zu frieren.
(Ich weiß, das schreibt sich einfach, wenn man am warmen Feuer der Liebschaft sitzt.)
@Violine: Ja, deine Strategie ist das Blumen pflücken am Wegesrand. Sie ist nicht die schlechteste. Wahrscheinlich bist du deshalb so musikalisch.

JürgenMärz 28th, 2010 at 15:47

@Claudia: Muß keine Partnerschaft sein. Ich meine ganz allgemein menschliche Beziehungen, die einen sozial einbinden.

ViolineMärz 28th, 2010 at 16:01

Ich bin ein bisschen verträumt.
Meine Mutter meint dasselbe zum Musikalisch-Sein wie Du. Meine Flötenlehrerin meinte immer, ich sei doch so begabt. Meine Mutter dachte sich halt, ich würde wegen der Scheidung so viel spielen.

SammelmappeMärz 28th, 2010 at 16:39

@Jürgen: Da der Mensch ein soziales Wesen ist, gehören die anderen Menschen unbedingt mit dazu. Aber wenn es um die Zufriedenheit und die Sinnfindung geht, dann steht doch das „Ich“ oder das „Selbst“ oder wie man es auch immer nennen will im Vordergrund. Nur wenn ich mit mir selbst im Reinen bin, kann ich auf andere Menschen zu gehen. Sie wahrnehmen und unbeschwert mit ihnen umgehen.
@Violine: Wahrscheinlich gehört beides irgendwie zusammen. Weil du so begabt bist, kannst du die Musik auch dazu verwenden, dich emotional aus zu agieren.

WildgansMärz 29th, 2010 at 10:42

vielleicht sollte ich wirklich mein altes klavier von seiner traglast- bücher usw. – befreien und einfach losspielen….
es ist gut, von sinnfindungen verschiedener menschen hier und anderswo zu lesen- viele kümmert dergleichen nicht, sie rasen und drängeln auf teufel komm raus- überall….
gruß von sonia

SammelmappeMärz 29th, 2010 at 17:17

@wildgans: Wenn du los spielst, dann wünsche ich mir, dir zu zu hören. Ich liebe es, wenn irgendwer mir etwas vorspielt oder vorsingt, aber leider gibt es das in meinem Umfeld nur sehr selten.

rebisApril 5th, 2010 at 21:02

Die „Bewusstheit, dass es jetzt stattfindet“, das Leben, musste man sich vielleicht immer erst erarbeiten, erlernen, erringen?
Kann mich an meine jungen Jahre erinnern, in denen die Frage, womit das Leben zu füllen sei, sehr dunkel über mir schwebte. Gerade, weil ich aus der Anschauung im Elternhaus nur weniges dachte mitzubringen, was mir füllend, erfüllend schien.
Ich weiß noch gut, wie viele Schritte dazwischenlagen, zwischen damals und dem jetzigen Zustand, den Du hier – für mich – so wunderbar, so anschaulich beschreibst. Es tut mir gut, das zu lesen, weil ich mich wiederfinde, weil ich mich wieder einmal darauf besinnen darf.
Denn zuweilen, wenn das Karussell des äußeren Lebens gar zu arg kreiselt, wenn ich mich nur noch verwirbelt fühle, wenn mir mein eigener Rhythmus nicht mehr spürbar ist, da braucht es ein Stopp, eine bewusste Rückkehr in die Achtsamkeit. Manchmal ist das so schwer, fast unmöglich. Aber doch, es geht, immer wieder, auch mit Beruf und zwei kleineren Kindern.
Wertvoller Blog, für mich … (nicht nur, weil ich auch Mathematikerin bin ;-))
Lieben Gruß
Uta

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