Journal13102022

Neu dazugelernt: Es gibt einen Dringlichkeitscode, der auf dem Überweisungsschein ausgestellt sein muss. Damit kann man einen dringenden Facharzttermin über das System 116117 ausmachen. Also noch mal zum Arzt und den Code besorgen.

Mir fällt es schwer, mich zu konzentrieren. Die Gedanken jagen in die Zukunft, durch die Vergangenheit, schlagen Purzelbaum und schießen wie eine Rakete in den fernen Horizont. Sie führen ein Eigenleben ähnlich wie es diese Krankheit mit mir macht. Ich bin weit davon entfernt, ihr ein stabiles Grundgerüst entgegenzusetzen.

Weiter dazugelernt: Wie sehr es nervt, wenn Fragen zur Krankheit gestellt werden, die ich noch nicht beantworten kann. Noch mehr nervt es, wenn gutgemeinte Ratschläge mir Handlungsaufforderungen mitgeben. Es fällt auf, dass Gesprächspartner*innen keinen Stillstand beim Sachstand dulden. Da wird wild spekuliert, was jetzt zu tun ist und falls das nicht, dann das. Kein Fortschritt? Das kann nicht sein.

Vielleicht sprechen deshalb viele Menschen gar nicht über ihre Krankheiten oder Diagnosen. Das Gegenüber, das gerade sachlich einen Informationsstand erhalten hat, fühlt sich dazu berufen „Diagnose und Behandlungsstrategien“ zu verkünden und (ganz wichtig) einzufordern.

Einerseits ist das witzig, weil es abstrus ist, andererseits trifft es auf eine verunsicherte Seele, die sich gerade sehr schützen muss, um zu heilen.

Sich in andere Menschen hineinzuversetzen ist keine Kernkompetenz in unserer Gesellschaft. Das erklärt auch viele andere Probleme, die wir im Moment haben.

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