Dr. Gachet
Inspiriert durch den Podcast Finding Van Gogh des Städelmuseums, habe ich mir die Biografie eines Gemäldes bestellt. In Papierformat. Ganz gegen meinen mimimalistischen Trieb. Ging nicht anders. Ich will wissen, was Cynthia Saltzman zu sagen hat. Ich will wissen, wie es dem Bild erging.
Mein Faible für Vincent hatte ich all die Jahre etwas zur Seite gelegt. Es konnte ja nicht sein, dass ich meine Zeit mit einem Künstler vergeude, wenn es so viele Künstlerinnen zu entdecken gibt. Und dann noch Van Gogh. Ausgerechnet. Dessen Bilder in den 90ern in jedem Wartezimmer hingen. Dessen Gemälde den Preishimmel einrissen und dessen Lebensgeschichte zum Symbol eines Künstlerlebens wurde. Breitgetreten.
Aber ich muss zugeben, dass ich ein Fangirl war. Ich war Mitte zwanzig als ich zum ersten Mal ein Kunstmuseum von innen sah. In Paris. Mittendrin in all dieser Fülle verliebte ich mich in die Bilder von Vincent van Gogh.
Ich las den gesamten Briefwechsel, der auf deutsch übersetzt war. Alles was ich finden konnte. Jeden Bildband, den ich bezahlen konnte, kaufte ich. Dazu Postkarten, Poster, selbst ein T-Shirt mit einem der Sonnenblumen-Bilder.
Ich versuchte zu verstehen. Die Bilder und das Leben. Die Leben. Denn das von seinem Bruder Theo und später das der Schwägerin Jo hingen eng mit seinem zusammen. Ohne sie gäbe es die Bilder nicht. Bzw. es hätte sie nie jemand zu Gesicht bekommen. Theo starb ganz kurz nach Vincent und die Schwägerin musste als sehr junge Witwe mit dem Baby sehen, wie sie mit sich, dem Kind und den Bildern durch das Leben schlug.
Später realisierte ich, dass der Großneffe von Vincent in den Niederlanden ein prominenter Rechtsradikaler war. Das brachte mich ziemlich aus der Fassung. Er wurde ermordet. Aber ich komme ab vom Thema.
Ich bleibe zuerst beim Bildnis, das den schmerzlichen Ausdruck unserer Zeit besitzt.
(Und dann google ich, was der Urgroßneffe wohl heute so macht. Da sie ihre Namen immer abwechselnd weitergeben, müsste es wieder ein Vincent sein. Haha, viel Spaß beim googeln.)