Bei mir
In den letzten Tagen den Zustand der Introvertiertheit kontinuierlich erhöht. Die Skala scheint nach oben offen zu sein. Noch ist kein Ende abzusehen.
Dieser Zustand versetzt mich oft in ein Stadium des schlechten Gewissens. Wahrscheinlich fühlt es sich einfach zu wohlig an, dieses Gefühl ganz bei mir zu sein.
Was so kuschlig ist, muss einen Harken haben. Außerdem ist es ein Verhalten, das gesellschaftlich keine gute Reputation besitzt. Das Gegenteil von „offen“ halt. Offen ist das meist zitierteste Wort, das bei Auswahlentscheidungen fällt, um die Entscheidung zu untermauern.
Die Zuschreibung ist eindeutig: offene Personen sind gut, introvertierte Personen schlecht bzw. sie taugen gerade um sie vor Exceltabellen in eine abgelegene Kammer zu setzen.
Das Gegenteil von offen ist verschlossen und wer sich verschließt, sperrt andere aus, das mögen sie nicht.
Was für ein Blödsinn!
Und dennoch so weit verbreitet.
Manchmal – ich sage manchmal, weil es da eben keine berechenbaren Zusammenhänge gibt – manchmal ist die Fähigkeit „Bei-Sich-Zusein“ die Grundlage für ein besonderes Verständnis anderer Menschen.
Dadurch ist eine ganz spezielle, intensive Kommunikation möglich. Es entsteht ein Austausch auf Ebene, die eine starke Wahrnehmung zulässt.
Für mich heißt das, das so manche introvertierte Seele ihre Türe zum Innern sehr viel weiter öffnet, als das andere Menschen tun. Das kostet Kraft.
Mich jedenfalls.
Deshalb schließe ich manchmal die Tür und verreise ins Land der Träume, bin ganz bei mir, aber so gar nicht hier, bis ich wieder Erdung fühle, die Fenster und Türen zum Herzen öffne und alle Willkommen heiße: die Wohlgesonnenen und die anderen meistens auch.
(Aus der Reihe „Texte zum Wiederverwenden“. Juni 2015.)