Hochsensibilität
Mir gefällt das Wort nicht: hochsensibel.
Oder Highly Sensitive Person auf Englisch.
Das klingt abgehoben. So nach etwas Besonderem und vorallem hört es sich an, als seien andere Menschen nicht empfindsam. Für mich fühlt es sich auch anders an.
Überempfindlich trifft es in meinem Fall besser. Mein Bild mit der Mimosenseele finde ich passend. Manchmal auch das der Schnecke, denn die ist nicht nur langsam sondern zieht sich bei Berührung schnell in ihr Haus zurück.
Aus hochsensibel wird schnell mal ein Mix gemacht, da sind die betreffenden Personen auch gleich hochintelligent und hochbegabt. Hauptsache „hoch“, so scheint es. Hoch über den Wolken in Wolkenkuckucksheim.
Ach nein, da wollen sie dann doch nicht sein. Denn das „hoch“ bezieht sich auf den Vergleich zu anderen Menschen.
Das ist kein Bild, das mir zusagt. Aber ein Bild brauche ich, um meine Situation zu verstehen. Um mich in der Welt zu verorten und meinen Platz in der Gesellschaft zu begreifen.
Nur als Kind war das für mich nicht notwendig. Bis ich acht oder neun war reichte es mir, mich in mir selbst zu verorten. Dann stand ich vor der Wahl: Entweder ich klinke mich in die Erfahrungswelten meiner Mitmenschen ein oder ich werde ständig Konventionen, Regeln und Menschen verletzen. Das wollte ich auf keinen Fall. Dazu war ich zu weiblich sozialisiert. Ich wollte mich anpassen. Nett sein. Keine Menschen versehentlich verletzen.
Es war ein langer und harter Prozess. Einer der erst in die eine Richtung überdrehte, dann in die andere. Es dauert bis heute an, dass ich die Balance suche, zwischen meiner Empfindlichkeit und der von anderen. Zwischen meinem Bedürfnis nach Ruhe und meinem Wunsch mich nicht gänzlich abzuschotten.
Es gibt keine wissenschaftlich fundierte Theorie dazu. Das ist schade, denn mir würde sie helfen. Meine eigene Analyse dazu ist, dass es eine Form der Reizüberflutung ist. In meinem Fall der visuellen Reizüberflutung, denn alle anderen Sinne kann ich „abstellen“. Ich kann mitten im Fabriklärm stehen und den Lärm ausblenden. Gerüche kann ich bis zu einem bestimmten Grad ignorieren. Aber die visuelle Reizüberflutung macht mich kirre.
Was ich auch kann, ist mich in Menschenmassen zu bewegen, zu denen ich keinen Kontakt habe. Große Konferenzen und Zusammenkünfte. Auch Demos. Aber es überfordert mich, wenn ich ein Gespräch mit mehr als fünf Leuten gleichzeitig folgen soll. Oder ein Rahmen, der von mir ständig eine vorgegebene soziale Interaktion erfordert.
Das ist hinzunehmen. Das bin ich. Das ist Teil meiner Persönlichkeit und meine Aufgabe ist es damit klarzukommen und diesen Teil so in mein Leben zu integrieren, dass ich als sozial verantwortliche Person agiere.
Nichts daran ist hoch.
Oder vielleicht doch.
Manchmal ist es hoch kompliziert.
Das „hoch“ führt tatsächlich oft zu Irritationen.
Es ist nicht der Zweck dieses Begriffs, sich über andere zu stellen. Sinn dieser… nennen wir es Theorie ist für mich, dass ich mich selbst plötzlich viel besser verstehe und mich nicht mehr schlecht fühlen muss, wenn es mich unendlich viel Kraft kostet einem Gespräch mehrerer Leute zu folgen etc.
Ich bin OK, auch wenn ich für manch Außenstehenden manchmal ungewöhnlich reagiere oder für andere anstrengende Marotten habe.
Und die Benennung als *Hoch“ hilft tatsächlich, sich aus der Selbstverachtung zu lösen, mit der so viele HSP zu kämpfen haben. Ich bin keine Mimose, ich auch nicht „zu“ sensibel für diese Welt. Nein ich bin genau richtig. Das ist meiner Erfahrung nach der Knackpunkt um den es bei vielen HSP geht.
Wenn ich dann HSP dazu benutze, um mich als was Besseres zu fühlen, ist das genauso unpassend wie wenn ich hochnäsig bin, nur weil ich ein Mathe-Genie bin oder einen dicken Wagen fahre etc.
Ich finde die Bezeichnung HSP genau richtig und hilfreich.
Wenn es dir hilft, dann ist es so recht.
Ich brauche das hoch nicht, und finde die Mimose auch nicht selbstverachtend.
Daher finde ich mich wahrscheinlich mehr in den anderen Bildern wieder.
Aber der Auslöser für den Blogeintrag war für mich schon, dass der Begriff inflationär von einigen Nervensägen benutzt wird, um sich zu erhöhen.
Das ist unnötig. Denn besonders und einzigartig sind alle Menschen.
Da braucht es kein hoch und kein drunter.
diese nervensägen, genau. deshalb benenne ich es für mich nicht einmal.
Das ist auch eine Möglichkeit.
ich weiß nicht. hilft immer weniger.