Lebensticker
Die Augen schließen sich gegen meinen Willen. Es ist Nachmittag, aber mein Körper sagt mir, es ist Zeit zum Schlafen. Zeit zum Träumen. Keine Lust mehr auf Pollenfolter. Kein Interesse mehr an der Außenwelt.
Die Innenwelt wird unterschätzt. Durchgängig und fast überall.
Um gegen die Müdigkeit anzugehen mache ich duolingo auf. Nehme die Verben sinnlos in mich auf und kann jetzt auf Esperanto nachfragen, ob dir ein Krokodil gehört. Oder auf Katalan, ob die Ente Wasser trinkt. Sehr sinnvolle fieberhafte Beschäftigung mit Suchtcharakter. Besser als jedes Ausmalbuch.
81 Tage ohne Unterbrechung die Kurse durchgezogen. Das ist gleichzeitig die Kuba-Zeitrechnung: vor 81 Tagen bin ich aus Kuba zurückgekommen.
Mir wäre echt lieber, ich hätte das duolingo-Fieber eingetauscht und mich mit einer Portion Lebensfreude angesteckt.
Aber wahrscheinlich haben sie mich im frühen Kindesalter geimpft dagegen. Nur nicht zu viel freuen, sonst kommt der Bösewicht und nimmt dir alles weg.
In der Ecke steht der Koffer und schreit nach Inhalten. Nimm mich mit.
Füll mich mit all dem, was dir wichtig ist.
Mein kleiner, roter Koffer weiß schon, dass er meinen Ansprüchen nur selten gerecht werden kann. Liebe, Weltfrieden, Gerechtigkeit, Glück, Freude, Zufriedenheit – ich möchte alles mit mir tragen.
Meine Wünsche sind kindlich, meine Sehnsucht ist groß. Meine Träume unendlich.
Zum Glück.
Wunderbar.
Den Koffer packen.