36,9 von Nora Bossong
Der Roman handelt von Anton Stöver, dessen Ehe zerbrochen ist, seine Affären sind vorbei, seine Arbeit als Wissenschaftler hat er verloren. Er fährt nach Rom um über sein Forschungsgebiet das Leben des Antonio Gramsci, die prägende Gestalt des italienischen Kommunismus, etwas neues herauszufinden.
Ich habe mir schwer getan mit diesem Buch, weil es gleich von zwei Männern handelt, um die verschiedene Frauenfiguren kreisen. Kreiseln und krieseln sozusagen.
Interessiert und mitgerissen hat mich immer der Erzählstrang, in dem es um die fiktionale Biografie des Antonio Gramsci ging. Die Geschichte der 20er und 30er Jahre und die Beschreibung des Übergangs Italiens in den Faschismus lässt einem aktuell Übles für die Gegenwart ahnen. Faschisten kamen immer durch Wahlen an die Macht, bevor sie ihr Übles Gesicht zeigten.
Nora Bossong wechselt geschickt zwischen den großen historischen Schauplätzen in Rom, Moskau und Wien zur kleinen zeitgenössigen Unistadt in Deutschland. Sie schreibt Szenen aus Gefängnissen, Kliniken und kargen Hotelzimmern. Den Körper beschreibt sie intensiv und ebenso das Verlangen und die Sehnsucht nach Liebe.
Mir wird ein Rätsel bleiben, warum sie sich als zweiten Erzählstrang diesen unsympathischen und blässlichen Akademiker heraus gesucht hat. Als Wiedergänger von Antonio Gramsci angelegt, bringt er keinen Deut weitere Spannung in die Biografie.