Es ist die Zeit, in der sich das Licht verneigt, den Tag zum Abschied feiert mit einem Hauch von Indigo. Die Dämmerung trägt ein Kleid aus Samt, durchwirkt mit Sternen, die noch zögern zu erscheinen. Die Silhouetten der Bäume winken sanft.
Die Zeit steht still und der Horizont hält den Atem an – ein Augenblick, der nicht Tag ist, nicht Nacht, eher ein Seufzer dazwischen. Die Welt ein magischer Spiegel, der alles und nichts zugleich zeigt.
Hier, im Blau, träumen die Farben davon, vergänglich zu sein. Und ich mit ihnen.
Der Regen hängt als feuchtes Leinentuch über dem Alten Hafen, ein Tuch, das atmet, als wolle es die Steine trösten. Das Wasser schläft nicht, nein, es drückt sich träge gegen die Kaimauer, schluckt Erinnerungen, die wie Algen an den Pfeilern kleben. Die Boote, diese schweigsamen Wächter, schaukeln an ihren Tauen, als zählten sie die Sekunden bis zum nächsten Sturm. Ihre Masten stochern im Himmel, der heute ein zerknittertes Grau trägt, das Grau von Tinte und verlorenen Briefen.
Ein Mädchen läuft, Sandalen klatschen auf das Pflaster, sie scheucht Tauben vor sich her, als vertriebe sie Geister. Die Möwen stürzen sich, als stürbe die Welt gleich. Ihre Schreie hängen im Dunst, der über dem Quai schwebt, vermischt mit dem Rauch der Brötchenöfen, dem Schweiß der Kräne. Hier, zwischen diesen Steinen, kann man nicht gehen, ohne dass die Jahre 1940 aus den Rissen kriechen. Varian Fry, der Namenlose, der Unerschrockene, der hier Flüchtlinge schmuggelte wie kostbare Fracht. Lisa Fittko, deren Biografie noch in meinen Händen brennt – ich sehe sie, wie sie um die Ecken huscht, den Kragen hochgeschlagen, als trüge sie die Angst von gestern im Nacken. Ihre Schritte hallen nach, zwischen den Fischkisten von heute, zwischen den silbrigen Leibern, die sich auf den Verkaufstischen winden, als suchten sie noch das Meer.
Eine Katze sitzt reglos auf einem Balken, ein Schatten mit Augen, die auf Abfall hoffen – oder auf Mäuse, die längst in den Geschichtsbüchern verstauben. Von irgendwo dröhnt Musik, zerrissen zwischen zwei Welten: Elektronisches Gitarrengewitter von links, von rechts zwei Mädchenstimmen, die durch den Verstärker wehen wie Sehnsucht in Blechdosen. «Je ne regrette rien», singen sie, aber der Hafen hier bereut alles. Immer.
Vorne, am Platz der verlorenen Hüte, döst die Verkäuferin hinter ihrem Berg aus Filz und Stroh. Ihre Lider sind schwer vom Warten auf Kundschaft, die nie kommt, oder auf ein Schiff, das seit 1943 ausbleibt. Wir gehen unsere Runden, wie man Gebete spinnt, bis der Abreisetag naht. Immer wieder. Der Alte Hafen, er hat uns in sein Netz gezogen, dieses Gewirr aus Stimmen, Rauch und Regen. Er trägt seine Jahre wie nasse Wolken. Und manchmal, zwischen Möwenschrei und Gitarrenriff, glaubst du, die Steine flüstern von Lisa. Von Jane. Von all den Namen, die das Grau nicht schlucken konnte.
Am Ende der Mole, wo das Meer beginnt, lehnt ein Stein. Darauf sitzt eine Katze, reglos, als wäre sie aus dem Licht geschnitzt. Sie blinzelt zur Fort Saint-Jean hinüber, wo die Touristenströme jetzt erwachen. Gleich werden die Glocken von Saint-Victor läuten, und der Hafen wird seine Maske wechseln. Doch jetzt, in dieser Stunde, atmet er noch. Tief. Als wollte er alles behalten.
Ich übe mich darin im Themen und Realitäten zu ignorieren. Solange ich emotional nicht damit umgehen kann, erscheint mir das Ignorieren die einzige realistische Idee des Umgangs mit den faschistischen Tendenzen zu sein. Verdrängen werde ich es nicht. Es ist eher die bewusste Entscheidung jetzt lieber zuerst die Pausetaste zu drücken und später wieder einzusteigen. Dazu gibt es zu viel zu verlieren. Das ist der eine Grund. Ein weiterer Punkt ist, dass es einfach nicht in mein Selbstbild passt, das was passiert kommentarlos hinzunehmen. Meine Haltung ist sehr klar in dieser Hinsicht: Ich empfinde tiefe Abscheu für die faschistischen Ideologien. Ob das wohl durchdachte Strategien sind, oder einfach flache, seichte Gedankenwelten, in denen es nur darum geht, sich den eigen Hintern zu vergolden ist mir dabei egal.
Mir wird schon noch etwas einfallen, um mich besser zu präparieren. Ich bin nicht wehrlos. Ich bin nur verblüfft, wie einfach dieser braune Sumpf überall eindringt. Wie selbstverständlich. Das ist so enttäuschend.
Ich habe ChatGPT gebeten, mir drei Fragen zu stellen, um mehr über mich herauszufinden. Die erste Frage lautete:
Was sind meine größten Leidenschaften oder Interessen, und wie beeinflussen sie mein tägliches Leben?
Eine meiner großen Leidenschaften ist das Lesen, und gerade bereitet mir das Kopfzerbrechen und Unbehagen. Ich lese zu viel. Wenn man diesen Satz ausspricht, könnte man denken, das sei fast unmöglich. Aber ich bleibe dabei: Seit ich in Rente bin, lese ich eindeutig zu viel.
Selbstverständlich lese ich Bücher nie hintereinander. Der Gedanke, das zu tun, erscheint mir absurd. Ich habe schon immer mehrere Bücher gleichzeitig gelesen. Für jede Situation gibt es andere Medien und auch unterschiedliche Lesestoffe. Sachbücher, Romane, Geschichten oder Lyrik – alles hat seine Zeit, und alles schreit danach, gelesen zu werden.
Es gibt Menschen, die haben zu viele Tabs in ihrem Browser geöffnet. Ich hingegen habe den Rahmen gesprengt, in dem Lesen ein komfortables Vergnügen ist. Denn ich lese gerade im Schnellmodus. Ich greife auf Bücher aus öffentlichen Bücherschränken zurück, lese auf Reisen mit meinem Kindle, nutze die Onleihe, die Stadtbücherei und kaufe auch Bücher. Laut Goodreads lese ich momentan 27 Bücher. Diese Zahl stimmt sicher nicht ganz, aber sie lässt das Ausmaß erahnen. Gestern habe ich vier Bücher in die Stadtbücherei zurückgebracht, die ich noch nicht zu Ende gelesen habe. Ich habe beschlossen, dass es so nicht weitergehen kann – diese Getriebenheit.
Natürlich ist so ein Beschluss nur ein kleines Zeichen. Er markiert noch keine Verhaltensänderung. Bisher kann ich nur sagen: Ich habe erkannt, dass diese Getriebenheit und die Unruhe ein Problem sind. Selbstverständlich reicht mein Leben nicht aus, um alle Bücher zu lesen, die mich interessieren. Mein Kopf weiß das. Aber die Fülle, die mir zur Verfügung steht, überflutet mich.
Jetzt ist es an der Zeit, einen Schritt zurückzutreten und mir bewusst zu machen, dass Lesen eine Quelle der Freude sein sollte. Ich möchte, die Bücher, die ich lese, wirklich genießen. Weniger ist in diesem Fall eindeutig mehr, und ich kann die Schönheit eines einzelnen Buches wiederentdecken, anstatt mich in der Fülle zu verlieren.
Heute Morgen nachdem die Fäden gezogen wurden. Der Frühling nimmt Anlauf.
Bis zum Wochenende werden alle Frühblüher, die ihre grünen Blätter nach dem Licht ausrichten, farbige Blütenteppiche in den Parks und Gärten auslegen.
Der Frühling schert sich nicht um Politik und Hassgerede.
Im Moment bin ich sehr froh darum.
Habt schöne Tage und seid freundlich zu euch!
Bildbeschreibung: Ein stiller Teich im Sonnenlicht: Eine Gans ruht auf einer kleinen Insel, umgeben von der Spiegelung einer herabhängenden Weide. Sanfte Lichtstrahlen, kahle Bäume, dahingleitende Wasservögel – eine friedliche Szenerie.
Manchmal muss du einfach losgehen und hoffen, dass du irgendwo ankommst. Mich fasziniert, dass so viele Menschen immer noch Worte finden. Ich befürchte allerdings, das Haltbarkeitsdatum dieser Sätze ist längst abgelaufen.
Es ist schwer, in die Glaskugel der Zukunft zu schauen. Gerade weil da gerade ganz sicher gezeigt wird, was kommt. Allerdings scheinen das nur einige wenige deutlich sehen zu können. Der Rest träumt von einer Fiktion, hält fest an etwas, das es nie gab.
Ich suche nach einem festen Stand. Oder wenigstens einem sicheren Unterschlupf. Die Zeiten werden schwierig werden für Menschen, die gerne aufrecht stehen.
Weiter bloggen heißt auch, immer wieder den passenden Ton zu finden. Der Ton, der mit der Weltmelodie zusammengeht. Im Moment also eine Stimme zu finden, die selbst in dieser lauten Disharmonie noch klar kommt. Mehr als ein Summen traue ich mir da gerade nicht zu.
Bei mir dauert das immer etwas. Das Finden der Stimme. Das Auffinden einer Perspektive, die mich nicht überfordert. Das Einordnen. Das Zurechtrücken.
Geboren im Zeichen der Schnecke suche ich akribisch nach meiner Position in dieser chaotischen Zeit. Es dauert noch etwas.
Die Vögel singen im Morgengrauen den Tag herbei. Ihre Energie scheint grenzenlos zu sein. Meine ist nur ein Hauch auf dem Morgen des Tages. Schlaflosigkeit ist bei mir eingezogen. Eine Dauerschleife des Erwachens. Immer und immer wieder. Etwas klopft Nachts an meinem Gemüt an und gibt sich nicht zu erkennen. Versteckt sich wieder im Dunkel, sobald ich wach bin.
Hab acht. Hab acht.
Ja, doch. Aber ich bin müde. Ich pass auf. Auch wenn sich die Augen gleich schließen.
Es war sehr kalt heute morgen im #Bethmannpark. Der kleine Teich noch gefroren. Aber sehr, sehr viel Winterlicht und ein bisschen auch Wintersonne.
Bildbeschreibung: Chinesischer Pavillon im Bethmannpark im Vordergrund der zugefrorene Teich.
Ich tue mir immer noch sehr schwer damit, die neuen politischen Fakten zu verarbeiten. In gewisser Hinsicht hilft mir meine Vorbereitung auf die Reise nach Nordirland etwas dabei. Die Auseinandersetzung mit der Gewalt, die in deine privates ten und intimsten Räume rückt.
Letztendlich ist das Fazit aber immer ähnlich. Gewalt bricht Menschen. Krieg sorgt für Generationen von Traumata. Faschismus ist tödlich und zerstörerisch.
Aber zwischendrin müssen Menschen leben, aufwachsen, Träume hüten.
Und die Natur macht weiter. Mal mit den zauberhaftesten Farben, mit Licht, das direkt ins Gemüt scheint. Oder mit der Kehrseite davon. Das kann sie auch.
Mir ist die Weltlage krass ins Gedärm gefahren. Meine Seele japst im Takt dazu.
Heute erweist sich die KI als einfühlbar und sucht mir gleich ein passendes Zitat heraus.
„Ich ertrage das Gewicht der Welt, aber manchmal schwankt meine Seele unter seiner Last.“— Clarice Lispector
Das stimmt mich etwas versöhnlicher, unglücklich bleibe ich aber sowohl körperlich als auch seelisch. Wir werden nicht mehr sicher sein. Das schreibt sich gerade rein in meinen Körper. Die Zeiten werden finster und ich muss mich erst an die Finsternis gewöhnen. Das werde ich. Bestimmt. Irgendwann. Aber heute weiß ich noch nicht, wie das geht. Ich werde es herausfinden. Später. Erst mal gebe ich mich dem hin, was mein Körper so ausspuckt. Der zeigt sehr direkt, was er von all diesen finsteren Machtmännern hält.